CIO Kolumne: «Alles im grünen Bereich?»

Ich besitze kein Auto. Und hatte auch noch nie eins. Jetzt ist es natürlich nicht so, dass ich mir keinen fetten Boliden leisten könnte und auch den Fahrausweis hatte ich schon kurz nach meinem 18. Geburtstag im Sack. Der Entscheid, auf ein Auto zu verzichten, war und ist ein rationaler. Bereits während meinem Studium pendelte ich regelmässig von Bern nach St.Gallen. Später kamen die Routen Bern – Zürich, Bern – Basel und Basel – Zürich hinzu. Dabei wäre es mir nicht im Traum in den Sinn gekommen, diese Strecken täglich mit dem Auto abzufahren. Auf die permanenten Staus, den täglichen Verkehrsstress und den Zeitverlust verzichte ich gerne. Dafür besitze ich seit meiner Studienzeit ein Generalabonnement. Früher büffelte ich im Zug für die Prüfung, heute kann ich wunderbar arbeiten, Mails beantworten, Zeitungen lesen oder einfach mal aus dem Fenster schauen und Gedanken nachhängen. Und auf der spätabendlichen Rückfahrt von einem Kundenanlass liegt auch mal ein Nickerchen – und zudem am Apéro ein oder zwei Gläser Wein – drin. Die Reparaturen, Instandhaltung und Reinigung des Rollmaterials übernimmt die SBB. Steuern und Versicherungen bezahlt man keine. Und wenn ein Zug mal ausfällt, nimmt man einfach den nächsten. 

Und wissen Sie was: Mein ökologischer Fussabdruck hat sich dadurch auch verbessert. Gemäss dem WWF-Footprintrechner (online über www.wwf.ch verfügbar) liegt mein CO2-Fussabruck bei 9.33 Tonnen pro Jahr. Eine krasse Zahl – aber deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt von 13.51 Tonnen. Grund zur Freude ist das allerdings nicht: Wäre die gesamte Weltbevölkerung mit meinem Fussabdruck unterwegs bräuchten wir 2.14 Planeten. Leider haben wir nur einen. 

«Wir werden die Klimaziele nicht erreichen, wenn nicht alle bereit sind, einen Beitrag zu leisten.»

Ich bin kein Moralist. Jede und jeder soll entscheiden, wie er oder sie leben will. Aber ganz ehrlich: Wir werden die Klimaziele nicht erreichen, wenn nicht alle bereit sind, einen Beitrag zu leisten. Das kostet. Vor allem Geld, vielleicht Komfort. Für einige ist der Verzicht auf ein Auto keine Option. Allerdings gibt es unzählige Möglichkeiten, seinen CO2-Verbrauch zu reduzieren: Anstatt in die Karibik zu fliegen mal wieder die Ferien im Tessin verbringen, die alte Ölheizung gegen eine Wärmepumpe sowie ein paar Solarpanels austauschen, auf das tägliche Rindsfilet verzichten oder einfach im Winter die Heizung um ein Grad runterdrehen. Was im Einzelfall nach wenig tönt, kann in der Gesamtsumme einen wertvollen Beitrag leisten.

Auch die Finanzindustrie ist gefordert. Bei Raiffeisen ist das Thema Nachhaltigkeit kein Novum. Unter dem Futura-Label bieten wir seit über 20 Jahren nachhaltige Anlagelösungen an. Und seit November werden nun bei sämtlichen verwalteten Anlagelösungen ESG-Kriterien mitberücksichtigt. Damit wir auch Veränderungen anstossen können, üben wir konsequent unsere Stimmrechte aus und pflegen, wo nötig, einen direkten Austausch mit dem Management der Unternehmen. Wer mit seinem Geld noch eine stärkere nachhaltige Wirkung erzielen möchte, dem kann ich unser neues Futura Impact-Mandat ans Herz legen. Alle darin berücksichtigten Anlagen zielen auf eine konkrete und messbare Wirkung ab. Neu stellen wir Ihnen zudem ein detailliertes Nachhaltigkeits-Reporting zur Verfügung. Darin ist auch der CO2-Fussabruck Ihres Portfolios abgebildet.  

«Wer nun denkt, dass sich die strikte Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien negativ auf die Performance auswirken könnte, den kann ich beruhigen.»

Wer nun denkt, dass sich die strikte Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien negativ auf die Performance auswirken könnte, den kann ich beruhigen. In der langen Frist gibt es keine signifikanten Unterschiede. Der nachhaltige MSCI World ESG Leaders Index weist beispielweise seit seiner Lancierung Ende September 2007 eine durchschnittliche Jahresrendite von 5.36% auf. Dies entspricht fast punktgenau der Rendite des MSCI World Index (+5.35%). Entsprechend bedeutet nachhaltiges Anlegen keinen Renditeverzicht. Aber dafür einen (kleinen) Beitrag an eine nachhaltigere Welt.

Nun gut, mein Zug fährt soeben in Basel ein. Die Kolumne ist im Kasten. Der ÖV hat seine Vorteile – im Auto hätte ich sie nicht schreiben können. Und ich würde wahrscheinlich noch irgendwo im Feierabendverkehr stecken.

 

Matthias Geissbühler, Dezember 2022

Wie Sie persönliche Werte und Renditechancen in Einklang bringen

Portrait Matthias Geissbühler

Matthias Geissbühler

Chief Investment Officer Raiffeisen Schweiz

Seit Januar 2019 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz für die Anlagepolitik verantwortlich. Zusammen mit seinem Team analysiert er kontinuierlich die weltweiten Geschehnisse an den Finanzmärkten und entwickelt die Anlagestrategie der Bank.