Wie sich Frugalisten reich sparen
Mit 40 nicht mehr arbeiten müssen und finanziell unabhängig sein. Dieses Ziel verfolgt der 36-jährige Waadtländer Marc Pittet. Sein Rezept: Frugalismus. Ein Porträt mit Praxistipps.
Was Frugalismus bedeutet
Frugalismus (engl. frugal = sparsam) ist ein Lebensstil, bei dem Sparen und Investieren im Zentrum stehen: Tiefe Fixkosten und hohe Investitionsquoten sind die Devise, bewusster und zurückhaltender Konsum sowie früh mit Anlegen beginnen das Rezept.
Ziel dabei ist, in jungen Jahren viel Geld zu sparen und durch Investitionen zu vermehren. Die Abkürzung «FIRE» bringt das Motto des «Frugalismus» auf den Punkt. Sie steht für «Financial Independence, Retire Early». Frei übersetzt: Möglichst jung finanziell unabhängig sein und im Frühruhestand tun, wozu man Lust hat.
Verzicht üben – fast immer
Einer der auf dem besten Weg ist, sein «FIRE» zu erreichen ist Marc Pittet. Dieser Name ist ein Pseudonym, der Waadtländer Frugalist möchte anonym bleiben. Pittet definiert den Frugalismus als «Minimalismus im Bereich der persönlichen Finanzen».
Bedingungslos auf alles verzichten, was etwas kostet, will Pittet aber nicht: «Momentan habe ich meine Sparquote etwas zurückgefahren, um mit der Familie nach den Corona-Restriktionen wieder mehr zu reisen. Im schlechtesten Fall bin ich dann halt schon 45, wenn ich mein Ziel erreicht habe».
«Der Frugalismus hat keinen negativen Einfluss auf meine Lebensqualität, im Gegenteil.»
Marc Pittet, Vertreter der FIRE-Bewegung und Blogger
Hauskauf als Auslöser
Begonnen hat alles, als er gemeinsam mit seiner Frau das Budget für einen Hauskauf aufstellte. Schnell war klar: Ohne harten Sparplan wird der Traum vom Eigenheim nie wahr. Den Wunsch nach den eigenen vier Wänden hat die Familie inzwischen verwirklicht. «Am zweiten Ziel – der finanziellen Unabhängigkeit – arbeiten wir noch.»
Der zurückhaltende Lebensstil ist laut Frugalisten aber nicht mit Verzicht gleichzusetzen. Vielmehr geben sie sich überzeugt, dass viele materielle Dinge für ein erfülltes, selbstbestimmtes Leben schlichtweg unnötig sind. «Der Frugalismus hat keinen negativen Einfluss auf meine Lebensqualität, im Gegenteil», sagt Pittet. Zudem merkt er auch bei seinen Kindern, dass der sehr bewusste Umgang mit Geld und Konsum eine gute Lebensschule ist.
Die 30-Tage-Regel
In der FIRE-Bewegung stehen drei Grundsätze im Zentrum: Ausgaben im Rahmen halten, bewusst konsumieren und viel sparen. Eine der wichtigsten Regeln ist dabei die 30-Tage-Regel: Sich für grössere Anschaffungen eine Bedenkzeit von 30 Tagen einräumen. Für Pittet beginnt das Abwägen von grösseren Investitionen indes nicht unbedingt ab einem bestimmten Frankenwert. Vielmehr stellt er den Nutzen der Anschaffung in den Vordergrund.
«Geht es um Investitionen ins Haus setzen wir uns fast keine Limits». Bei Fernsehern, Autos und vor allem vielen wiederkehrenden Kosten wie Mobilfunkverträgen schaut er derweil sehr viel genauer hin.
4-Prozent-Regel gibt Orientierung
Ein weiterer zentraler Ansatz der Frugalisten ist die 4-Prozent-Regel. Sie dient als Orientierungshilfe, um das nötige Kapital für den Vorruhestand zu berechnen. Die Faustregel besagt: Es ist erst möglich von seinem Ersparten zu leben, wenn man nicht mehr als 4 Prozent seines Vermögens pro Jahr braucht.
Im Umkehrschluss bedeutet das, der Vorruhestand wird erst dann realistisch, wenn man das 25-fache seiner jährlichen Ausgaben angespart hat oder konkret: Wer jährlich 50'000 Franken zum Leben braucht, muss ein Vermögen von 1.25 Millionen ansparen.
«Die 4-Prozent-Regel war für mich eine Art ‘Erweckungsmoment’, denn dadurch hatte ich erstmals einen Richtwert in der Hand, um meine finanzielle Absicherung greifbar zu machen.»
Marc Pittet, Vertreter der FIRE-Bewegung und Blogger
Pittet selbst nennt rund das Doppelte als sein Ziel: «Die 4-Prozent-Regel war für mich eine Art ‘Erweckungsmoment’, denn dadurch hatte ich erstmals einen Richtwert in der Hand, um meine finanzielle Absicherung greifbar zu machen», erinnert sich Pittet.
Konkret wird bei den Pittets die Hälfte des Einkommens auf die Seite «angelegt». Der Rest besteht aus «abwarten und Tee trinken». Denn um dieses Ziel zu erreichen, reicht reines Sparen nicht aus. Vielmehr muss das bei Seite gelegte Kapital auch gewinnbringend angelegt werden, damit Effekte wie der Zinseszins und langfristige Investitionen sich positiv auf das Vermögen auswirken.
Anlegen ist keine Wissenschaft
Pittet verwaltet seine Anlagen selbst. Der Ansatz, sein eigener Vermögensberater zu sein, braucht natürlich ein gewisses Basis-Finanzwissen. «Das nötige Knowhow ist aber überschaubar», betont Pittet.
Nach dem Erwerb der notwendigen Grundkenntnisse hält sich der Zeitaufwand zudem im Rahmen: «Meine Anlagestrategie kostet mich pro Quartal knapp 30 Minuten Zeit.» Dabei investiert er «wie die grossen Strategen» nur in Sachen, die er auch versteht. Ein Grossteil seines Kapitals legt Pittet in Aktienfonds an.
Er beziffert sein Risikoprofil auf einer Skala von 1 bis 10 auf eine solide 7. Neben Aktien hat Pittet zudem noch einen geringen Anteil an Anleihen und Obligationen im Portfolio. Und nur maximal 5 Prozent seines Kapitals legt Pittet in Anlagen mit hohem Risiko an.
Die Suche nach der bestmöglichen Rendite schliesst eine nachhaltige Investmentstrategie nicht aus: «Die Grundregeln des Frugalismus bestehen ja gerade darin, nicht ohne Rücksicht auf die Gesellschaft dem schnöden Mammon hinterherzurennen, sondern bewusste Entscheidungen mit seinem Geld zu treffen. Und dies trifft natürlich auch auf mein Anlageuniversum zu.»
Ratgeber
Das können wir von den Frugalisten lernen
Nicht jede Person muss gleich «Feuer und Flamme» sein, um sich reich zu sparen. Verschiedene Ansätze des Frugalismus lassen sich aber bestens in den Alltag ambitionierter Sparerinnen und Sparer übertragen. Und manchmal reichen ja auch schon kleinere Ziele, um sich grosse Träume zu erfüllen.
Sparen und Investieren als Leitgedanke
Je nach Budget ein bestimmtes monatliches Sparziel festlegen und einhalten. Den Festbetrag als ‘Zukunftskapital’ anlegen.
Den Faktor Zeit nutzen
Möglichst früh den Spartopf füttern und mit Anlegen beginnen. Hilfreich sind zu Beginn auch kleine Beträge, die je nach Lebenssituation schnell grösser werden können.
Bewusst konsumieren
Grössere Anschaffungen bewusst mehrere Tage überdenken sowie Kosten und Nutzen abwägen.
Renditeziele definieren
Realistische Erwartungen setzen. Dabei nachhaltige Anlagen durchaus in Betracht ziehen. Zukunftsgerichtete Investitionen lohnen sich.
4-Prozent-Regel als Zielvorgabe anwenden
Mit dieser Faustregel kann das benötige Vermögen zum Vorruhestand berechnet werden: Die jährlichen Ausgaben dürfen nicht mehr als 4 Prozent des gesamten Vermögens aufzehren. Umgekehrt sollte das 25-fache der Jahresausgaben angespart werden.