Nachhaltig anlegen – was es ist und was es bringt

Wer Geld anlegt, erwartet Rendite. Aber nicht nur. Heute geht es beim Investieren auch um Gesellschaft und Umwelt. Deshalb boomen nachhaltige Anlagen. Hier erfahren Sie, wie sie funktioneren und sich Nachhaltigkeit messen lässt. 

Was heisst Nachhaltigkeit?

So handeln, dass wir unsere heutigen Bedürfnisse befriedigen können, ohne künftigen Generationen zu schaden: Das ist Nachhaltigkeit. Der Begriff steht im Zentrum der UN-Entwicklungsziele bis 2030, den sogenannten «Sustainable Development Goals» oder kurz SDGs. Die UN-Mitgliedstaaten sollen das Wirtschaftswachstum vorantreiben, aber gleichzeitig auch dafür sorgen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich schliesst; sie sollen Chancengleichheit schaffen sowie verantwortungsvoll und zukunftsorientiert mit natürlichen Ressourcen umgehen.

Auch die Finanzwelt leistet ihren Beitrag. Zum Beispiel mit nachhaltigen Anlagen. Dazu werden die rein ökonomischen Kriterien, nach denen Anlagen in der Vergangenheit bewertet wurden, um eine soziale und eine ökologische Perspektive erweitert. Aktien und andere Wertpapiere werden nicht mehr nur nach Risiko, Rendite und Liquidität ausgewählt, sondern auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft.

So wird Nachhaltigkeit bewertet

Es gibt verschiedene Methoden, die Nachhaltigkeit von Anlagen zu bewerten. Am bekanntesten ist der Einsatz von ESG-Kriterien. Dabei analysieren zum Beispiel spezialisierte Rating-Agenturen, wie gut Unternehmen oder auch Staaten in folgenden drei Themenbereichen abschneiden: Umwelt (E wie Environment), Soziales (S wie Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (G wie Governance).

ESG-Kriterien

E: Die Umwelt-Dimension

Unter dem Buchstaben E wie Environment wird zusammengefasst, welchen Umwelteinfluss ein Unternehmen hat. Wichtige Kenngrössen sind der CO2-Ausstoss, der Wasserverbrauch und der Einsatz giftiger Stoffe. Nicht nur in der Produktion, sondern auch hinsichtlich der Produkte selbst. Julian Kölbel, Assistenzprofessor am Center for Financial Services Innovation der Universität St. Gallen, sagt: «Diese Grössen sind recht gut messbar. Das macht es relativ einfach, Unternehmen miteinander zu vergleichen.»

Wem die Umwelt am Herzen liegt, der steckt sein Geld in Unternehmen, die hier besser abschneiden als andere. Doch Julian Kölbel betont: «Die weltweiten Schadstoffemissionen werden nicht plötzlich kleiner, bloss weil jemand Aktien eines vorbildlich handelnden Unternehmens besitzt.» Aber die Nachfrage nach diesen Aktien sende ein starkes Signal aus: Emissionen und deren Reduktion sind vielen Anlegerinnen und Anlegern wichtig.

ESG-Kriterien

S: Die soziale Dimension

Beim sozialen Impact eines Unternehmens geht es um Aspekte wie Kinderarbeit, Arbeitssicherheit oder Gleichstellung der Geschlechter. Weil sich das weder in Litern noch in Tonnen beziffern lässt, ist es schwieriger, Unternehmen diesbezüglich miteinander zu vergleichen. «Arbeitssicherheit lässt sich beispielsweise messen, indem man Arbeitsunfälle zählt», sagt Julian Kölbel. «Bei der Gleichstellung der Geschlechter schaut man etwa, wie der Verwaltungsrat zusammengesetzt ist.»

Der Finanzexperte gibt aber zu bedenken, dass diese Indikatoren nicht einwandfrei seien. Oft brauche es ein Abwägen zwischen Messbarkeit und Aussagekraft. «Der Gender-Pay-Gap würde mehr über die Gleichstellung in einem Unternehmen aussagen als die Zusammensetzung der Führungsetage. Aber Lohndaten sind nur schwer erhältlich.» Das sei ein Grund, warum es spezialisierte Rating-Agenturen gebe, erklärt Julian Kölbel. «Sie können fehlende Daten mit Schätzungen und Modellierungen kompensieren.»

ESG-Kriterien

G: Die Dimension Unternehmensführung

G steht für Governance und bezeichnet all jene Strukturen und Prozesse, die zu einer guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung beitragen. «Für diese Dimension werden unter anderem die Boni des Top-Managements angeschaut, unternehmerische Ethik und Mechanismen, um Betrug oder Korruption zu verhindern», sagt Julian Kölbel.

Auch hier ist die Messbarkeit eine Herausforderung. «Man kann Medien analysieren und untersuchen, ob Unternehmen in der Vergangenheit mit Skandalen für Schlagzeilen gesorgt haben. Doch das erlaubt noch keine Aussagen über künftige Risiken.» Wichtiger sei zum Beispiel, wie mit Whistleblowern umgegangen werde – also mit Mitarbeitenden, die Missstände anprangern. «Wenn es in einem Unternehmen offizielle Anlaufstellen für Whistleblower gibt, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass fehlerhaftes Verhalten auch tatsächlich an die Öffentlichkeit kommt», so Julian Kölbel.

Fazit: Das kann nachhaltiges Anlegen erreichen

Die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen ist in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert: Das Marktvolumen weist jährliche Wachstumsraten von rund 30 Prozent auf. In den letzten zehn Jahren hat es sich fast verfünfzigfacht. Gleichzeitig setzen immer mehr Unternehmen auf Nachhaltigkeit, reduzieren beispielsweise ihre Emissionen, entwickeln effizientere Produkte oder investieren in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Doch in wieweit sind es nachhaltige Investitionen, die zu diesem Wandel in den Unternehmen beitragen? «Genau das ist die Frage: Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen?», gibt Julian Kölbel zu bedenken. Einfach so könne man die Wirkung nicht quantifizieren. «Aber die gestiegene Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen hat sicher dazu beigetragen, dass das Thema ESG heute in jeder Geschäftsleitung und jedem Verwaltungsrat präsent ist. Unternehmen können sich der Thematik nicht mehr entziehen.»

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