«Tod oder Invalidität sind reale Gefahren»
Beat Feuz hat in der Königsdisziplin des Skisports alles gewonnen. Als Speed-Spezialist gehören Risiken zu seinem Beruf. Wie er damit umgeht und was er tut, um seine Familie in Sicherheit zu wissen, erzählt er im Interview.
Volles Risiko oder auf Nummer sicher fahren – welche Taktik führt aufs Podest?
Beat Feuz: Bei uns gewinnt, wer am schnellsten ist. Und schnell ist man mit einer grossen Portion Risiko. Es ist aber von der Tagesform abhängig, wie man das umsetzt. Wichtig ist eine gute Selbsteinschätzung.
Was gehört zu einer guten Selbsteinschätzung?
Erfahrung ist wichtig: Als junger Athlet ist man teilweise etwas blauäugig. Man denkt, jede Kurve könne mit vollem Risiko gefahren werden. Mit der Routine lernt man, wo man Sicherheiten einbauen muss.
«Fühle ich mich nicht 100 Prozent fit, muss ich Risiko rausnehmen.»
Warum sind Sicherheiten wichtig?
So schnell wie wir Abfahrer unterwegs sind, kann ein Sturz extrem schlimme Folgen haben. Das muss man einkalkulieren. Wenn ich während des Rennens merke, dass es richtig gut läuft, kann ich mehr riskieren. Fühle ich mich nicht 100 Prozent fit, muss ich Risiko rausnehmen.
Man liest, Sie seien privat nicht unbedingt der Riesendraufgänger. Stimmt das?
Das stimmt schon, ja. Privat bin ich eher der ruhige Typ, bin gern zu Hause und habe es gern gemütlich. In der Freizeit brauche ich keine Riesen-Action und unternehme lieber eine schöne Wanderung als eine waghalsige Kletterpartie. Ich riskiere schon beim Skifahren genug.
«Meine Familie und ich sollen abgesichert sein, falls mir etwas passiert.»
Sind die Risiken Ihres Berufs zu Hause am Küchentisch ein Thema?
Ja. Wir diskutieren natürlich nicht wöchentlich darüber, aber immer wieder mal. Je älter ich werde, je länger meine Karriere dauert, desto wichtiger ist mir das Thema: Meine Familie und ich sollen abgesichert sein, falls mir etwas passiert.
Wie sind Sie abgesichert?
Besonders wichtig sind Versicherungen für Unfall oder Todesfall. Denn Unfälle kommen in meinem Sport leider immer wieder vor. Tod oder Invalidität sind reale Gefahren. Ich will sicher sein, dass ich beziehungsweise die Familie in diesen Fällen finanzielle Unterstützung erhalten. Aber auch Krankheiten darf man nicht vernachlässigen: Denn die Grenze zwischen Unfallfolge und Krankheit ist fliessend. Darum ist es wichtig, auch letzteres abzusichern.
Und abgesehen von finanzieller Unterstützung?
Zur Absicherung gehört bei uns auch ein Vorsorgeauftrag, in welchem wir Themen wie Personensorge und Vermögenssorge geregelt haben, sowie im medizinischen Bereich die Patientenverfügung.
Wann haben Sie begonnen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen?
Als junger Fahrer macht man sich noch wenig Gedanken zu Absicherungsfragen. Aber mit zunehmendem Alter lernt man die Risiken seines Sports besser kennen. Und natürlich spielt auch die Familie eine Rolle: Als Paar mit Kindern kommt man um diese Fragen nicht herum.
«Finanzielle Absicherung ist mehrheitlich Privatsache.»
Steht der Verband da den Athleten bei?
Finanzielle Absicherung ist mehrheitlich Privatsache. Natürlich gibt es gewisse Hilfestellungen bei Versicherungen, die wirklich jeder Athlet braucht. Aber darüber hinaus hat ein 18-jähriger Rookie einfach andere Bedürfnisse als ein 35-jähriger Routinier.
Was bringt Ihnen diese Absicherung gefühlsmässig – auch für die Rennen?
Es gibt mir grundsätzlich ein gutes Gefühl – aber auf der Piste wirkt sich das nicht gross aus. Wenn man mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist, sollte man nicht an Versicherungen denken. Während dieser zwei Minuten konzentriere ich mich voll aufs Rennen, da haben andere Gedanken keinen Platz.
Hat sich Ihr Verhältnis zu Risiko und Sicherheit mit Familie und Vaterschaft verändert?
Ja, sicher. Zu planen, für alle Eventualitäten vorsorgen, das ist wichtiger geworden. Da gehört eben auch ein Helikopter «auf Stand-by» dazu, der mich während der Lauberhornrennen zur Geburt meiner zweiten Tochter geflogen hätte – wenn es denn gerade losgegangen wäre. Ich hätte nicht zweimal überlegt und wäre sofort nach Hause gereist. Denn die Geburt eines Kindes ist etwas Einmaliges. Skirennen bin ich ja wirklich schon ein paar gefahren.
Beat Feuz
Skirennfahrer
Beat Feuz (Jahrgang 1987) gehört zu den erfolgreichsten alpinen Skirennfahrern aller Zeiten: Kein anderer Athlet hat mehr Podestplätze in der Abfahrt geholt als er. Er ist Olympiasieger, Weltmeister und mehrmaliger Sieger des Abfahrtsweltcups. Die legendäre Lauberhornabfahrt und das ebenso spektakuläre Hahnenkammrennen hat er ebenfalls mehrmals gewonnen. Feuz stammt aus Schangnau im Emmental, lebt aber mittlerweile mit seiner Partnerin Katrin Triendl und den beiden Töchtern Clea und Luisa in der Nähe von Innsbruck in Tirol. (Bildquelle: Adrian Bretscher)