Wie liest man Gedanken, Tobias Heinemann?

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In seinen Shows holt Gedankenleser Tobias Heinemann Menschen auf die Bühne und liest sie wie ein offenes Buch. Wie er das geübt hat, worauf er bei seinem Gegenüber achtet und wie er von seinen Fähigkeiten privat schon profitiert hat, verrät er im Interview.
 

Tobias Heinemann, was denke ich gerade?

Das kann ich so nicht beantworten. Ihre Gedanken sind ja schon gedacht und damit in der Vergangenheit. In meinen Shows gehe ich anders vor: Ich stelle Menschen gezielt Fragen und bilde mir aufgrund ihrer Reaktion ein Urteil. Für mich ist darum die Körpersprache ein grosser Faktor beim Gedankenlesen.

 

Was verrät Ihnen die Körpersprache Ihres Gegenübers?

Es gibt keine zu 100 Prozent fixen Körpersignale, bei denen man sagen kann, sie bedeuten jetzt dies oder jenes. Davon halte ich nicht viel. Die Menschen sind so verschieden. Aber: was sich nicht ändert, sind die Mikrosignale, die absoluten Erstsignale auf einen Gedanken und Emotionen. Diese kann man nicht kontrollieren und sie sind bei allen Menschen und Völkern gleich. Dazu gehören Veränderungen der Pupillen, ein Blinzeln oder kurze muskuläre Regungen.

 

Erkennen Sie immer, wenn jemand lügt?

In meiner Freizeit, wenn ich nicht aufpasse, nicht. Privat bin ich nicht immer «an» – das wäre sehr anstrengend. Wenn ich arbeite, bin ich aber sehr gut im Lügen erkennen. Ich achte primär auf Veränderungen der Körpersprache: zum Beispiel Stimmlage, Sprechrhythmus oder wie lange es dauert, bis jemand antwortet. Eine höhere Stimme etwa ist ein Zeichen von Aufregung.

 

Kann jeder lernen, Menschen besser zu lesen?

Talent gehört dazu, aber vieles ist lernbar. Das beginnt mit der Beobachtung: Betrachten Sie Ihr Gegenüber aufmerksam und konzentrieren Sie sich auf Details. Viele wissen nach einem Gespräch nicht mal, ob ihr Gesprächspartner eine Brille trägt. Aufmerksamkeit kann man auch trainieren, indem man sich mal einen Film stumm anschaut und versucht, möglichst viel von der Handlung zu verstehen. Ich habe als Teenager oft auf der Strasse geübt, indem ich zum Beispiel im Zürcher Niederdorf auf Gruppen wie Scientology oder die Zeugen Jehovas zugegangen bin. Ich habe mit denen gesprochen und beobachtet, wie Sie die Menschen zu manipulieren versuchen.

 

«Talent gehört dazu, aber vieles ist erlernbar.»

Tobias Heinemann, Gedankenleser

 

In welchen privaten Situationen haben Ihnen Ihre Fähigkeiten schon geholfen?

Ich habe mir damit beim Fliegen schon ein paar Upgrades verschafft. Oder dass ich noch in das Flugzeug durfte, obwohl das Gate bereits geschlossen war. Ich kann und will nicht jede Situation zu meinen Gunsten beeinflussen – aber wenn die Türe ein ganz kleines bisschen offen steht und die Situation meinem moralischen Kompass entspricht, dann kriege ich sie meist ganz auf. Ich habe mich auch einmal aus einer gefährlichen Situation mit einem betrunkenen Hooligan und anderen gefährlichen Situationen rausgeredet.

 

Sie machen nicht nur Shows, sondern arbeiten auch als Businesscoach. Was können Unternehmerinnen und Unternehmer von Ihnen lernen?

Wie man die eigene Körpersprache verbessern und die des Gegenübers besser lesen kann, wie man Lügen erkennt oder Menschen beeinflusst. Das hilft im Verkauf genauso wie im Kundenservice oder in Einstellungsgesprächen. Menschenkenntnis ist in jeder Hinsicht zentral.

 

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Portrait Tobias Heinemann
Tobias Heinemann

Tobias Heinemann wurde durch seine eigene TV-Serie «Der Gedankenjäger» auf SRF, als Gast in Talksendungen und als Bestsellerautor einem Millionenpublikum bekannt. In seinen Shows errät er Pincodes, deckt Lügen auf und sagt die Handlungen seines Gegenübers voraus. Zudem ist er Redner und Motivationscoach bei Business-Meetings, Schulungen oder Kongressen. Seine Vortragsthemen beinhalten nonverbale Kommunikation, Menschen lesen und Lügen erkennen.