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10.12.2024

Tabuthema Erbschaft: Wenig Wissen, langes Zaudern

  • Umfrage von Raiffeisen zeigt, dass sich Viele erst spät mit dem Vererben auseinandersetzen
  • Nur knapp die Hälfte der 51- bis 79-Jährigen hat ihren Nachlass geregelt
  • Viele wünschen sich einen Erbvorbezug für Wohneigentum, nur Wenige kommen in den Genuss
  • Insbesondere bei Konkubinatspaaren gibt es grosse Wissenslücken

St.Gallen, 10. Dezember 2024. Eine von Raiffeisen Schweiz und der ZHAW School of Management and Law durchgeführte, repräsentative Umfrage in der Schweizer Bevölkerung zeigt: Nur wenige der befragten Personen zwischen 18 und 79 Jahren planen ihre Erbschaft konkret und frühzeitig. Die Meisten setzen sich erst dann mit dem Erben auseinander, wenn sie selbst damit konfrontiert sind. Aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung ist das immer später der Fall. Wer in der Schweiz ein Erbe erhält, ist in der Regel über 50 Jahre alt. Das hat Konsequenzen: Wer den Nachlass nicht rechtzeitig regelt, kann unter Umständen nicht mehr bestimmen, wer was beziehungsweise wieviel erhält und geht zudem das Risiko von Erbstreitigkeiten ein.

 

Trotz klarer Vorstellung keine Regelung

Drei Viertel der Befragten, die Vermögen weitergeben möchten, haben klare Vorstellungen, was mit ihrem Erbe geschehen soll – insbesondere, wenn es um Wohneigentum geht. 33 Prozent der Befragten möchten die Nachkommen finanziell beim Eigenheimkauf unterstützen, 24 Prozent möchten ihr Wohneigentum weitergeben, solange sie noch leben. «Weil die Menschen immer älter werden, ist das Erbe in der Regel ein später Geldsegen. Das dürfte ein Grund sein, weshalb 34 Prozent bereits die übernächste Generation – in der Regel die Enkelkinder – begünstigen möchten», sagt Tashi Gumbatshang, Leiter Kompetenzzentrum Vermögens- und Vorsorgeberatung bei Raiffeisen Schweiz. Dokumente wie ein Erbvertrag oder Testament werden in der Regel erst nach dem 50. Lebensjahr erstellt. Die Umfrage zeigt, dass dennoch nur 46 Prozent der 51- bis 79-Jährigen ihren Nachlass geregelt haben.

 

Erbvorbezug bleibt für viele ein Wunschtraum

35 Prozent der Befragten gehen davon aus, in Zukunft eine Erbschaft oder einen Erbvorbezug zu erhalten. Von den 18- bis 30-Jährigen würde etwas mehr als ein Drittel (35%) einen Erbvorbezug favorisieren und 14 Prozent sogar erwarten. Je jünger die Befragten, desto wichtiger sind die immobilienbezogenen Motive: 49 Prozent der 18- bis 30-Jährigen würden den Erbvorbezug für die Finanzierung einer eigenen Wohnung oder eines Hauses nutzen und 18 Prozent für die Übernahme des Elternhauses. Bei den 31- bis 50-Jährigen sind dies mit 36 beziehungsweise 15 Prozent bereits weniger. Frank Frey, Co-Leiter Fachzentrum Erbschaftsberatung bei Raiffeisen Schweiz, zu dieser Erkenntnis: «Ein Eigenheim können sich heute viele junge Personen nur noch dank der finanziellen Unterstützung der Eltern leisten. Vermögen weitergeben, damit die Kinder in eigenen vier Wänden leben können, ist auch die Absicht vieler Eltern.» Dem Wunsch der Nachkommen, die finanziellen Mittel dann zu erhalten, wenn sie diese effektiv benötigen, kommen hingegen nur wenige nach. Die grosse Mehrheit der Erblassenden möchte das Vermögen erst nach dem Tod weitergeben. Lediglich 17 Prozent der Befragten planen einen Erbvorbezug oder eine Schenkung zu machen. Die Umfrage zeigt weiter, dass die Absicht, Vermögen frühzeitig zu vererben, stark von der Anzahl Kinder abhängt. Mehr als ein Viertel der Befragten mit zwei oder mehr Kindern sagen, dass sie schon vor dem Tod einen Teil des Erbes weitergeben möchten. Bei Personen mit einem Kind sind es 17 Prozent und bei kinderlosen Personen gar nur sieben Prozent.

 

Wissenslücken bergen Risiken

Die Befragung zeigt, dass mit zunehmendem Alter das Wissen über das Thema Erbschaft steigt. So weiss beispielsweise die grosse Mehrheit der über 50-Jährigen, dass es bei der Erbschaftssteuer kantonale Unterschiede gibt und die Steuer sowohl vom Verwandtschaftsgrad als auch von der Höhe des vererbten Vermögens abhängt. Grosse Wissenslücken gibt es beim Konkubinat. Nur knapp die Hälfte (47%) der Personen über 50 Jahren weiss, dass Konkubinatspartnerinnen und -partner in vielen Kantonen dem höchsten Erbschaftssteuersatz unterliegen. Bei der jüngsten Alterskategorie der 18- bis 30-Jährigen ist dies lediglich einem Drittel bekannt. Auch wissen 35 Prozent der 18- bis 30-Jährigen und ein Viertel der 31- bis 50-Jährigen nicht, dass sich Konkubinatspaare im Testament oder Erbvertrag gegenseitig begünstigen müssen, um überhaupt erbberechtigt zu sein. Bei den über 50-Jährigen ist dies für deutlich weniger als 20 Prozent ein Fragezeichen. «Fehlendes Wissen birgt in solchen Lebenskonstellationen ganz klar grosse Risiken, da nicht rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen getroffen werden», sagt Dr. Jürg Portmann, Co-Leiter Institut für Risk & Insurance an der ZHAW School of Management and Law.

 

Über die Umfrage

Für diese von Raiffeisen Schweiz und der ZHAW School of Management and Law durchgeführte Umfrage wurden vom 11. April bis zum 24. April 2024 1’151 Personen aus der Schweizer Bevölkerung im Alter von 18 bis 79 Jahren mittels geschichteter Zufallsstichprobe mit einem Link-Panel befragt. Die Repräsentativität der Stichprobe ist aufgrund der Panelqualität als hoch zu bewerten, wobei wie bei allen Online-Befragungen eine Verzerrung hin zu einem höheren Bildungsniveau und stärkerer Online-Aktivität besteht. Insbesondere das höhere Bildungsniveau dürfte zu höheren Werten bei Einkommens- und Vermögensfragen führen. Die Objektivität ist hoch einzustufen, da die Daten mittels standardisiertem Fragebogen erhoben und statistisch ausgewertet wurden. Als Erbschaft wurde eine Zuwendung in der Höhe von zwei Monatsgehältern oder mehr definiert. In der Umfrage werden nur signifikante Unterschiede (95%-Konfidenzniveau) ausgewiesen. Die Methodik der Querschnittsbefragung eignet sich gut, um ein Bild über das Wissen, die Einstellungen und das Empfinden der Schweizer Bevölkerung zu gewinnen. Kausale Aussagen hingegen sind nicht möglich.