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Raumfahrtindustrie Schweiz: ein Sektor ohne Grenzen
- Private Firmen treiben weltweit die Kommerzialisierung der Raumfahrt voran
- Auch in der Schweiz hat sich ein kleiner, dynamischer Sektor gebildet, der heimischen Unternehmen neue Chancen bietet
- Die Schweiz zählt dank bedeutenden Forschungsinstituten und zahlreichen Start-ups zu den führenden Ländern in der Weltraumforschung
St.Gallen, 28. November 2024. Im Rahmen einer Branchenanalyse hat das Economic Research von Raiffeisen Schweiz die Raumfahrtindustrie und deren Bedeutung für die Schweiz genauer unter die Lupe genommen. Denn in der Raumfahrt ist ein neues Zeitalter angebrochen – auch «New Space» genannt. Anstelle staatlicher Akteure mischen vermehrt private Unternehmen mit, die innovative Technologien und kostengünstige Lösungen entwickeln und damit den Wandel in der Branche zusätzlich beschleunigen. Die Kosten, um ein Kilogramm Nutzlast ins All zu befördern, haben sich in den vergangenen 50 Jahren um den Faktor zehn reduziert. Mit der neuen Starship-Rakete von SpaceX dürften die Kosten gemäss Expertinnen und Experten nochmals in ähnlichem Ausmass reduziert werden. Die gesunkenen Transportkosten sind nur ein Grund für das Aufkommen von «New Space». Weitere Wachstumstreiber sind technologische Innovationen in den Feldern Miniaturisierung, 3D-Druck, Robotik sowie künstliche Intelligenz und die damit verbundenen Kostensenkungen. Ein Beispiel für die niedrigeren Kosten ist die Miniaturisierung von Satelliten. «Innovative, private Firmen übernehmen die Führung, senken die Kosten – und treiben so die Kommerzialisierung des Weltraums voran. Die Anzahl aktiver Satelliten im All hat entsprechend exponentiell zugenommen und scheint keine Grenzen zu kennen», so Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz.
Grosses Potenzial
Dieser Paradigmenwechsel ermöglicht neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten, wovon auch Branchen in der Schweiz profitieren können, die auf den ersten Blick wenig mit Raumfahrt zu tun haben. Allein der Bedarf an zusätzlicher Vernetzung von allen beliebigen geographischen Punkten der Welt zueinander eröffnet grosses Potenzial, etwa für eine weltweit lückenlose Internetabdeckung. Satellitenbilder und Weltraumdaten schaffen neue Anwendungen für viele Branchen, wie zum Beispiel die Logistik, die Landwirtschaft oder das Versicherungswesen. Der vereinfachte Zugang zu Experimenten in der Schwerelosigkeit eröffnet zudem auch der hierzulande stark präsenten Pharmaindustrie neue Möglichkeiten in der Forschung und Entwicklung von Medikamenten.
Schweiz prädestiniert für die Raumfahrtindustrie
In Sachen Präzision, Zuverlässigkeit, Innovation, Miniaturisierung, Spitzentechnologie und Hochschulen zählt die Schweiz zu den führenden Ländern weltweit. Fähigkeiten, die gerade in der Raumfahrt, in der jedes Gramm zählt und höchste Genauigkeit über Erfolg oder Scheitern einer Mission entscheidet, von zentraler Bedeutung sind. Obwohl die Raumfahrt traditionell eine Domäne der grossen und mächtigen Länder ist, war die Schweiz schon früh mit von der Partie – etwa als Gründungsmitglied der europäischen Weltraumorganisation ESA. Daraus hat sich ein kleiner aber hochspezialisierter Raumfahrtsektor herausgebildet, der in der Schweiz rund 1'000 Mitarbeitende beschäftigt. Hinzu kommen weitere 2'000 Beschäftigte in den Zulieferindustrien. Der Markt war bisher von Grossunternehmen geprägt. Doch durch zahlreiche Neugründungen in den vergangenen Jahren sind heute rund 130 Firmen in diesem Sektor aktiv, wovon allerdings nur etwa ein Fünftel hauptsächlich in der Raumfahrt tätig ist. Der Branchenverband Swissmem schätzte in einer Publikation im Februar 2024 den hierzulande in der Raumfahrtsparte erzielten Umatz auf rund 330 Millionen Franken. Detailliertere Umsatz- und Wachstumszahlen der Branche liegen bislang kaum vor. «Die Wertschöpfung dürfte stetig weiter wachsen. Allein im Zeitraum 2016 bis 2020 wurden 58 neue Unternehmen gegründet, die sich geografisch auf die Umgebung der beiden Hochschulen ETH Zürich und Lausanne konzentrieren. Dies unterstreicht die Bedeutung der Forschung für den Raumfahrtsektor», so Hasenmaile.
Aktive Schweizer Weltraumforschung
Auch in Sachen Weltraumforschung ist die Schweiz im Verhältnis zur Grösse des Landes sehr präsent. In absoluten Zahlen kann die Schweiz bei der Anzahl in Fachzeitschriften publizierten Artikeln zur Weltraumforschung zwar nicht mit den USA oder China mithalten, doch gemessen an der Einwohnerzahl liegt sie weltweit an der Spitze. Historisch bedeutende Institute sind an den beiden Universitäten Bern und Genf angesiedelt, während die Eidgenössischen Technischen Hochschulen und die Universität Zürich eng mit der Industrie vernetzt sind. Allein aus den beiden Eidgenössisch Technischen Hochschulen sind seit 1994 48 Spin-offs mit Bezug zur Raumfahrtindustrie hervorgegangen.
Herausforderung Kapitalbeschaffung
Weil in Europa die Risikokapital-Kultur deutlich weniger ausgeprägt ist als etwa in den USA, ist die Schweizer Raumfahrtindustrie in punkto Finanzierung weniger dynamisch. Für Schweizer Unternehmen, die in der Weltraumindustrie tätig sind, stellt die Kapitalbeschaffung entsprechend die grösste Herausforderung dar. Der Sektor ist daher hierzulande stark staatlich geprägt. Ein wesentlicher Teil der verfügbaren Mittel stammt aus den Beiträgen an die ESA, die über den geografischen Verteilschlüssel in die Schweizer Industrie zurückfliessen. «Zwar sind private Finanzierungsquellen zuletzt gestiegen, doch wenn etwas dem Sektor hierzulande noch Grenzen setzt, dann sind es budgetäre Einschränkungen», ergänzt Fredy Hasenmaile.
Weltraum-Transportkosten für 1kg Nutzlast
In US-Dollar (nur mittelschwere Raketen)