Warum nachhaltig anlegen
Wer nachhaltig anlegt, verzichtet nicht auf Rendite und ist auch für Krisensituationen besser gewappnet. Weshalb das so ist und worauf Anleger bei der Auswahl achten sollen, erklärt Nina Fakner, Expertin für Nachhaltige Anlagen bei Raiffeisen Schweiz, im Interview.
Nina Fakner
Leiterin Kompetenzcenter Nachhaltigkeit Vorsorgen & Anlegen, Raiffeisen Schweiz
Frau Fakner, wieso sollen Anleger nachhaltig investieren?
Im Grunde gibt es drei Motive. Erstens: Sie wollen das Risiko-Ertrags-Profil Ihrer Anlagen verbessern. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien belegt diesen Effekt insbesondere über längere Zeiträume. Der zweite Grund ist der offensichtlichste: Ein gutes Gewissen. Mit nachhaltigen Anlagen investiert man entsprechend seiner persönlichen Werte und Überzeugungen. Insbesondere für Eltern ist es wichtig zu wissen, dass sie beim Anlegen keinen negativen Einfluss auf die Welt nehmen, in der sie und ihre Kinder später leben werden. Das dritte Motiv kann sein, dass ein Anleger über die rein finanzielle Rendite hinaus auch eine positive ökologische oder soziale Wirkung erzielen möchte.
Worin unterscheiden sich nachhaltige von konventionellen Anlagen?
Nachhaltiges Anlegen unterscheidet sich vom konventionellen Anlegen zumindest nicht vom Ziel her: Bei beiden Ansätzen wählt man jene Wertpapiere aus, die finanziell besonders attraktiv erscheinen. Während dies bei konventionellen Anlagen oft bereits genügt, klopft man bei nachhaltigen weiter ab. Ein nachhaltiger Portfoliomanager fragt sich: Welches Unternehmen macht sich Gedanken über zukünftige Entwicklungen – insbesondere soziale und ökologische – die wieder auf das Unternehmen zurückwirken? Das Prinzip lautet: möglichst wenig Ärger, möglichst viel Potenzial. Denn nachhaltiges Anlegen ist investieren, nicht spekulieren.
Noch fehlen die Standards. Auf was sollten Anleger achten?
In der Tat: Es gibt noch nicht den einen Standard für nachhaltiges Anlegen. Das ist aber auch nicht verwunderlich, denn die drei genannten Motive verlangen auch andere Vorgehensweisen. Unabhängig davon sollten Anleger vor allem zwei Dinge genauer anschauen. Erstens: Hat der jeweilige Anbieter von nachhaltigen Anlagen das entsprechende Know-how? Bei Anbietern, die schon lange in diesem Bereich unterwegs sind und dementsprechend angelegte hohe Kundenvermögen ausweisen können, liegt das zum Beispiel nahe. Zweitens – und eigentlich am Wichtigsten: Legt der Anbieter den Prozess und die Kriterien transparent dar, wie bei der Nachhaltigkeitsanalyse konkret vorgegangen wird. Zentral ist hier, dass die Nachhaltigkeitsanalyse «bissig» ist: Bei unserem Raiffeisen Futura-Ansatz werden zum Beispiel nur rund 46 Prozent der untersuchten Unternehmen als nachhaltig eingestuft. Es braucht eben einen gewissen Mut, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Im März 2021 ist der EU-Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum in Kraft getreten. Hat sich dadurch auch in der Schweiz etwas verändert?
Der Plan hat einen Leuchtturmcharakter, dessen Sogwirkung sich auch die Schweiz nicht entziehen kann. Gerade die sogenannte Taxonomie, eine Systematik, mit der die Nachhaltigkeit von Unternehmen bestimmt werden kann, hat sich zumindest vom Konzept her zum globalen Exportschlager entwickelt. Der Bundesrat hat zwar bereits im Juni 2020 einen Bericht und Leitlinien zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor verabschiedet, wonach der Schweizer Finanzplatz seine Position als führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen weiter stärken soll. Allerdings hat er sich des Themas Greenwashing, also dem Vermitteln eines «grüneren» Anscheins als es wirklich ist, erst im Dezember 2022 angenommen. Anfangs September sind zwei Selbstregulierungen in Kraft getreten, um Anlegerinnen und Anleger effektiv davor zu schützen. Diese werden auch von uns umgesetzt.
Haben Sie zum Schluss noch einen konkreten Tipp für Anleger?
Wichtig ist vor allem eines: Nachhaltigkeit ist auch – oder gerade – beim Anlegen ein Marathon, kein Sprint. Um ein altes Sprichwort zu zitieren: Geduld bringt Rosen.
«Nachhaltiges Anlegen ist investieren, nicht spekulieren.»
Nina Fakner
Leiterin Kompetenzcenter Nachhaltigkeit Vorsorgen & Anlegen, Raiffeisen Schweiz