Nachgefragt beim Bundesamt für Energie – Energiestrategie 2050
In der Schweiz fallen rund 45% des Energieverbrauchs und ca. 30 % der klimaschädlichen CO2-Emissionen im Gebäudebereich an. Daher verwundert es nicht, dass die Gebäude bei den vom Bundesamt für Energie (BFE) ausgearbeiteten Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ganz oben auf der nationalen Agenda stehen. Erfahren Sie mehr über die Schwerpunkte und Vision des Bundesamtes für Energie (BFE) im Rahmen der Energiestrategie 2050.
Die Schweiz verfügt heute über eine sichere und kostengünstige Energieversorgung. Wirtschaftliche und technologische Entwicklungen sowie politische Entscheide im In- und Ausland führen derzeit jedoch zu grundlegenden Veränderungen der Energiemärkte. Um die Schweiz darauf vorzubereiten, hat der Bundesrat die «Energiestrategie 2050» entwickelt.
Eine gute Gelegenheit, die Vision des Bundesamtes für Energie (BFE) im Rahmen der «Energiestrategie 2050» und den Gebäudepark Schweiz etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Lesen Sie im Interview, wie das BFE die aktuelle Lage einschätzt, und wo noch Handlungsbedarf besteht.
Energieexperte Patrick Kutschera, BFE im Interview
Die Schweiz hat das Netto-Null-Ziel bis im Jahr 2050: was hat das mit Immobilien zu tun?
Sehr viel, denn in der Schweiz stehen heute etwa 2,3 Millionen Gebäude. Sie beanspruchen rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und verursachen rund ein Drittel der CO2-Emissionen. Diese Werte müssen wir Richtung Null senken. Besonders gross ist das Potenzial bei älteren Häusern, die mit Öl, Gas oder direkt elektrisch heizen. Der Bundesrat will, dass 2050 keine fossilen Heizungen mehr in Betrieb sind. Dazu müssen wir jedes Jahr rund 40’000 alte Heizungen ersetzen durch solche, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Es bleibt also viel zu tun.
Wie bereite ich mein Wohneigentum auf diese Zukunft vor? Was empfehlen Sie Wohneigentümerinnen und -eigentümer?
Es ist zentral, dass Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer energetische Massnahmen sowie die entsprechende Finanzierung frühzeitig planen und sich dabei von Fachleuten der Energie-, Gebäude- und Finanzbranche beraten zu lassen. Dadurch können sie agieren und werden nicht zum Reagieren gezwungen. Dies ist umso wichtiger, da zum Beispiel in den meisten Kantonen gesetzliche Bestimmungen in Kraft sind, die beim Ersatz des Wärmeerzeugers in bestehenden Bauten fordern, dass ein nennenswerter Anteil der Wärme erneuerbar erzeugt oder durch Effizienzmassnahmen eingespart werden muss. D.h. Massnahmen, welche mit mittleren bis hohen Investitionen verbunden sind, über deren Finanzierung sich Hauseigentümerin und Hauseigentümer im Klaren sein müssen.
Haben Sie Empfehlungen spezifisch für Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer?
Mit der kostenlosen Impulsberatung «erneuerbar heizen» von Energieschweiz steht eine kostenlose Beratung zur Verfügung, welche für den Heizungsersatz eine erste unverbindliche Analyse zulässt (Förderbedingungen: Impulsberatung für Heizungssanierung: Impulsberater finden (erneuerbarheizen.ch). Dadurch können energetische Sanierungsmassnahmen in der Stockwerkeigentümerschaft einfach und unverbindlich thematisiert werden. Als nächsten Schritt kann sich dann die Stockwerkeigentümerschaft bezüglich weiteren Vorgehens und allfälliger Finanzierung unterhalten. Für eine erfolgreiche Umsetzung braucht es aus meiner eigenen Erfahrung mindestens eine Partei, welche sich der Thematik annimmt und auch mit allfälligen Widerständen umzugehen weiss. Wir haben in unserer Überbauung vor einem Jahr die Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt.
Die Grafiken zeigen: Der Gebäudepark verbraucht heute etwa 90 TWh oder rund 40% des Endenergiebedarfs der Schweiz. Die Energiestrategie 2050 sieht einen Verbrauch von 55 TWh im Jahr 2050 vor – dies entspricht einer Reduktion um knapp 40%!
Wo sehen Sie die grössten Erfolge bisher in der Umsetzung der Energiestrategie 2050 in den Bereichen erneuerbaren Energien und Energieeffizienz und wie geht es politisch weiter?
Vor 10 Jahren hatten noch ganz wenige geglaubt, das PV über 10% zur Stromversorgung der Schweiz beitragen kann. Heute haben wir das realisiert und das Wachstum geht weiter. Der Einsatz immer effizienterer Haushaltsgeräte erhöht die Energieeffizienz zusehends. Immer mehr Hausbesitzende installieren erneuerbare Heizungen bei Neubauten und Heizungsersatz. Bis 2030 sollten kaum mehr fossile Heizungen installiert werden.
Das Schweizer Volk ist dem Parlament mit dem Klima- und Innovationsgesetz und am 9. Juni 2024 nun auch mit dem Stromgesetz gefolgt. Damit hat die Schweiz einen wichtigen Schritt in eine nachhaltige und unabhängigere Energieversorgung gemacht.
Weshalb ist es wichtig, dass das Thema langfristige Werterhaltung und somit auch die Energieeffizienz und der Heizungsersatz von den Banken aktiv aufgegriffen wird?
Die Banken nehmen eine wichtige Rolle bezüglich Glaubwürdigkeit in der Thematik war. Wenn sie sagen, dass die Werthaltigkeit eines nachhaltigen Gebäudes höher ist und die Finanzierungsrisiken kleiner sind, wird das eher geglaubt und ist wichtig für den Investitionsentscheid der Gebäudebesitzenden. Für die Finanzierung von Sanierungsmassnahmen spielen die Banken eine zentrale Rolle. Hier braucht es für die Zukunft möglicherweise zusätzliche Finanzierungsmodelle, die die Banken ihren Kunden anbieten können.
In der Schweiz besteht ein hohes Sanierungs- und Emissionsreduktionspotenzial bei Gebäuden. Das Interesse für erneuerbare Energien ist gross: 49% der befragten Schweizer Hausbesitzerinnen und -Besitzer möchten in eine Solaranlage oder eine Wärmepumpe (45%) investieren.
Patrick Kutschera
Vizedirektor des Bundesamtes für Energie BFE
Patrick Kutschera ist seit dem 1. April 2024 Vizedirektor des Bundesamtes für Energie BFE. Als Leiter der Abteilung Energieeffizienz und erneuerbare Energien ist er unter anderem für die Erarbeitung von Grundlagen, neuen Massnahmen und Instrumenten sowie für die Umsetzung und den Vollzug der Gesetzgebung in verschiedenen Bereichen verantwortlich. Der Walliser ist Chemie-Ingenieur ETH und hat das MBA an der Universität St. Gallen absolviert.
Was ist der GEAK® Plus?
Der offizielle Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK®) dient seit 2009 schweizweit einheitlich zur energetischen Klassifizierung von Gebäuden. Der klassische Energieausweis umfasst eine vierseitige Ist-Analyse. Das Dokument gibt Ihnen Auskunft über den energetischen Ist-Zustand Ihres Gebäudes und informiert Sie zur Energieeffizienz in Bezug auf die Gebäudehülle, die Technik und die elektrischen Einrichtungen.
Ergänzend dazu gibt es das Angebot GEAK® Plus, welches einen Massnahmenkatalog mit konkreten Sanierungsvorschlägen enthält.