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Der beste Neubau 2024 – Siegerprojekte

Der Architekturpreis «Der beste Neubau 2024» liefert Anschauungsbeispiele und Inspirationen rund um den hochwertigen Schweizer Wohnbau. Lassen Sie sich von den ausgezeichneten Projekten inspirieren.

An der neue räume 24 hat die Zeitschrift Das Ideal Heim zum zehnten Mal den Architekturpreis «Der beste Neubau» - früher «Das beste Einfamilienhaus» vergeben. Gesucht wurden neben innovativen Einfamilienhäusern auch verdichtete Formen des Wohnbaus, die entweder mit speziellen Grundrisskonstellationen, besonderen Formen der Verdichtung, einer intensiven Innen-Aussenraum-Beziehung oder anderen überraschenden Auseinandersetzungen mit den Themen des Wandels unserer Zeit einhergehen.

Publikumssieger – Baumeisterlich und Tiefenentspannt

Text und Produktion: Susanna Koeberle

Die Architekten Brandenberger Kloter haben ein Atelierhaus mit grosser handwerklicher Sorgfalt in das Stadtquartier Gellert in Basel gefügt – und architektonisch so überzeugend, als stünde das Haus wie selbstverständlich seit langer Zeit genau an diesem Ort.

Der Begriff Baumeister wirkt etwas veraltet. Dabei betont er zwei wichtige Aspekte der Architektur-Disziplin. Zum einen das Bauen: Darin klingt etwas Handfestes, Handwerkliches an. Zum anderen die Meisterschaft: Dieses Ziel streben wohl die meisten Architekturschaffenden an. Das Wort Baumeister ist genau genommen eine Eindeutschung des Wortes Architekt, das aus dem Griechischen stammt und oberster Baumeister bedeutet. Wieso das an dieser Stelle wichtig ist? Das Atelierhaus von Brandenberger Kloter, das den Publikumspreis der Schweizer Architekturpreise in der Kategorie «Der beste Neubau» gewonnen hat, zeigt exemplarisch, wie Architektur auf alte Techniken und Typologien zurückgreifen kann, ohne veraltet zu wirken. Die handwerkliche Sorgfalt, mit der die Materialien behandelt wurden, trägt viel zum besonderen Charakter dieses Wohnhauses bei. Ebenso die ungewöhnliche Handhabung des räumlichen Gefüges, das auf drei Seiten Licht einfallen lässt. Die präzis platzierten Öffnungen und die Splitlevel schaffen zahlreiche Blickachsen und Raumkonstellationen. Dennoch kommt das Haus absolut ungekünstelt daher; fast so, als ob es schon seit Langem im Quartier stünde – und nicht erst seit zwei Jahren.

 

Stimmiges Innenleben

Der Bau befindet sich im Gellert-Quartier in Basel, einem grünen Wohnviertel mit Villen und kleineren Häusern. In einer ruhigen Strasse gelegen, fällt das Haus wegen seiner sandfarbenen und einfachen Fassade zunächst kaum auf. Allerdings dauert es nicht lange, bis man merkt, dass hier die Dinge etwas anders liegen. Auf den zweiten Blick lässt sich das leicht zurückversetzte zweite Stockwerk erkennen, dessen Fenster von der Strasse aus wegen des dichten Pflanzenwuchses auf der Laibung kaum zu sehen sind. Die intelligente Handhabung der Öffnungen bietet für die Bewohnenden viel Privatheit. Zugleich ist der Blick nach aussen stets gewährleistet; oft spürt man die Stadt kaum ob der pflanzlichen Fülle, die sich einem beim Blick aus den Fenstern darbietet. Selbst die Weinrebe, die sich entlang der Fassade rankt, tut dies auf stilvolle Art. Der Architekt Oliver Brandenberger erwähnt bei der Führung, dass die Bauherrschaft sich für das geometrische Muster der Metallvorrichtung von einem Kunstwerk der Schweizer Künstlerin Silvia Bächli inspirieren liess. 

Auch im Innern zeigt sich der Kunstsinn der Familie, die das Haus bewohnt. Man registriert gleich beim Betreten das stimmige Interieur voller überraschender Details; dank der ruhigen Sprache der Architektur erscheint alles aus einem Guss. Auch im eigentlichen Sinne: So fand etwa die Zeder, die neben der alten Garage stand und die ebenfalls dem Neubau weichen «musste», im Hausinnern eine neue Heimat. Die Architekten und die Bewohnerfamilie beschlossen, das Holz des Baumes für zwei Sitzbänke und den Eingangsbereich zu nutzen. Der Werkstoff Holz ist auch sonst präsent im Innenausbau, allerdings nie dominant. Die Treppe sowie andere Schreinerarbeiten wurden in Schweizer Weisstanne ausgeführt und mit Seife behandelt, was dem Material eine samtene Haptik verleiht. Auch der gefilzte Kalkgrundputz an den Wänden, der direkt auf das Einsteinmauerwerk aufgetragen wurde, verdeutlicht die Absicht der Architekten, für dieses Projekt vornehmlich traditionelle und natürliche Baustoffe zu verwenden. Und zwar konsequent: Sogar das luftgedämmte Mauerwerk der Fassade folgt dieser Idee. Bemerkenswert ist, dass Materie hier nebst ästhetischen auch ökologischen Kriterien gerecht wird. Denn die Backsteine des Gemäuers oder die Recyclingböden speichern schon nur über ihre Masse Wärme beziehungsweise Kälte. Auf diese Weise konnten die Architekten auf zusätzliches Dämmmaterial verzichten. Eine Ahnung von der traditionellen Bauweise bekommt man im Musikzimmer des Kellergeschosses, wo die fein lamellierten Backsteine sichtbar sind. Wobei das Wort Kellergeschoss fehlleitet. Denn sogar hierhin gelangt viel Licht! Das Thema Licht ist zentral für den Entwurf. Die unterschiedlichen Höhen des räumlichen Kontinuums im Erdgeschoss schaffen eine Wohnlandschaft, welche die Sonne spielerisch ins Haus holt.

 

Erinnerungen an japanische Bauten

Die unterschiedlichen Zonen kommunizieren zwar miteinander, doch bei der Organisation des Gebäudes haben die Architekten auch an spätere Nutzungen gedacht. An japanische Bauten erinnernde, hölzerne Schiebetüren gliedern die Räume der zwei oberen Stockwerke. Je nach Lebensphase liessen sich die Einheiten neu unterteilen. Die jetzige Nutzung als Familienhaus könnte mit wenig Aufwand in eine Wohngemeinschaft oder in eine Generationencluster-Wohnung überführt werden. Die Atmosphäre lebt vom harmonischen Zusammenspiel der aufmerksam gestalteten Details. Beim Rundgang entdecken wir einen kleinen japanischen Hausgeist, der ein unscheinbares Plätzchen inmitten von Bauelementen gefunden hat und von dort aus über das Haus wacht.

 

 

Brandenberger Kloter Architekten, Basel

Brandenberger Kloter Architekten

Basel

Die beiden Basler Architekten Oliver Brandenberger (links) und Adrian Kloter (rechts) setzen sich schweizweit mit unterschiedlichen Massstäben und Themen auseinander. Sie interessieren sich sowohl für langfristige städtebauliche Erneuerungsprozesse als auch für die Detailforschung an Material, Licht und Raum bei Wohnprojekten und öffentlichen Bauten. Dabei suchen sie stets nach Lösungen, die dem Kontext und den Anforderungen gerecht werden. Ihre Arbeit wird getragen von einem engagierten Team und dem gemeinsamen Ziel, eine ehrliche, nachhaltige Architektur zu schaffen, die das Leben der Menschen bereichert. Dabei legen sie grossen Wert auf den Dialog zwischen Raum und Umgebung, um eine identitätsstiftende Wirkung zu erzielen. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind essenzielle Bestandteile ihrer Planungs- und Entwurfsmethodik, die durch kontinuierliche Forschung ergänzt werden. Foto: Basile Bornand

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Jurysieger – Ein Experiment, das Schule machen soll

Text: Anita Simeon Lutz

Das Haus D in der Überbauung der Baugenossenschaft Hobelwerk in Oberwinterthur erhält den ersten Preis der Schweizer Architekturpreise in der Kategorie «Der beste Neubau».

«Ursprünglich hatten wir das Projekt an diesem Ort für einen anderen Investor geplant», erklärt Pascal Flammer, der siegreiche Architekt, die Ausgangslage. Als die Baugenossenschaft ‹mehr als wohnen› das Projekt aber übernahm, war klar, dass wir es überarbeiten mussten. Weg von einem konventionellen Mehrfamilienhaus zu einem Ort, der für viele Arten des Zusammenlebens empfänglich ist.» Durch die Öffnung des Grundrisses entstanden sechs 8-Zimmer-Cluster-Wohnungen, die bei Bedarf auch als drei 16-Zimmer-Einheiten bewohnt werden können. Gegen Norden bildet eine Repetition von einfachen Zimmereinheiten, die einzeln, als Zweier- oder als Dreiergruppen zu haben sind, einen eher geschlossenen Rücken. Dem steht eine fliessende, offene Wohnlandschaft gegen Süden gegenüber, die gemeinschaftlich genutzt wird. Die Gemeinschaftsräume öffnen sich auch gegenüber dem Aussenraum des ehemaligen Hobelwerks und den gemeinschaftlichen Quartierplätzen, wie etwa dem grossen, überdachten Hobelwerkplatz und der Holzwerkhalle, die dem Quartier den Namen gaben. Im EG gibt es zwei Typologien von Work-Life-Konstellationen innerhalb einer Wohneinheit. In der einen Hälfte des Erdgeschossgrundrisses reihen sich vier langgezogene Atelier-Wohnungen aneinander, die jeweils über einen Wohn- und einen Arbeitsraum verfügen, unterbrochen von einem Funktionsraum mit Küche und Bad. In der anderen Hälfte teilen sich vier Wohneinheiten einen gemeinschaftlichen Atelierraum. Das Haus D ist wohl das experimentellste Haus im Hobelwerk-Areal, das total aus fünf Häusern besteht. 

Pionierwerk

Das Experiment beschränkt sich nicht nur auf typologischer Ebene. Auch was den Bauprozess und die verarbeiteten Materialien angeht, beschreitet ‹mehr als wohnen› mit dem Gebäude neue Wege. «Unser Ziel war es, ein möglichst nachhaltiges, klimaneutrales Gebäude zu erstellen», erläutert Flammer. So wurde bei Haus D auf Untergeschosse verzichtet und die Fundamente wurden aufs Minimum reduziert, um einen möglichst niedrigen Betonverbrauch aufzuweisen. Ausserdem ist der Bau ein radikaler Holzbau. Schon in der Ausschreibung wurden die Treibhausgasemissionen berechnet und als Zuschlagskriterien bemessen, wie zum Beispiel der Anfahrtsweg der Konstruktionsfirma, der Ursprung des Holzes, Brandschutzmassnahmen, Bodenaufbauten und so weiter. Teils wurde der Holzbau in Modulbauweise und teils in Elementbauweise erstellt.

 

Ein weiteres, wichtiges Thema war die Verbauung von Re-Use-Bauelementen ohne Sonderstatus. «Ohne Sonderstatus heisst, dass der Einsatz der wieder gebrauchten Bauteile nicht teurer werden darf als der Einsatz vom günstigstmöglichen Neuwert-Element. Das hat uns schon sehr zu schaffen gemacht. Ausserdem weiss man nicht genau, was man auf dem Re-Use-Markt bekommt und die Entscheidungen müssen schnell gefällt werden, denn es kann sein, dass eine gute Charge Fenster sonst der Abrissbirne zum Opfer fällt. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Haftung. Wer haftet nun für die 20 Jahre alten Türen in diesem Neubau? Unsere schweizerischen Werkverträge sind darauf ausgerichtet, Haftungsfragen möglichst von sich zu schieben. Hier braucht es bei Re-Use-Modellen einen neuen Ansatz und eine engere und dynamischere Zusammenarbeit zwischen den Planenden, den Ausführenden und den Bestellern.»

 

Haus der Kontraste

«Für eine nachhaltige Architektur der Zukunft stellt sich die Frage: Wie sieht so ein Re-Use-Haus aus? Es gibt einige Beispiele, die eher etwas Collagenartiges in sich tragen. Dies wollten wir hier nicht. Und dennoch haben wir uns dafür entschieden, jedes zur Verfügung stehende Bauteil, das qualitativ den Anforderungen entspricht, auch zu verbauen. 

Um dem Ganzen eine einheitliche Erscheinung zu verleihen, haben wir sämtliche Oberflächen mit einer dünnen Schicht weisser Farbe gestrichen, was die Wahrnehmung vereinheitlicht», erklärt Pascal Flammer. Dank dieser Massnahme wird die Wertigkeit der Bauteile teils umgekehrt. Die aufgefrischte Schiebetüre aus dem Altbau erscheint hochwertiger als die groben Dreischichtplatten der Wände, die neu erstellt wurden. Nebst der Verbindung von Alt und Neu gibt es auch noch ein anderes Gegensatzpaar, das sehr wichtig ist: Die Details sind an gewissen Stellen sehr rau und an anderen Stellen sehr fein, und dieser Clash löst das Schematische des Gebäudes auf, und dieses erhält dadurch eine gewisse Offenheit, die auch dem offenen Nutzungsgedanken entspricht. Wer dermassen virtuos mit grossen Gesten und Feinheiten in den Details spielen kann, hat den ersten Preis mehr als verdient.

Pascal Flammer Architekten, Zürich

Pascal Flammer Architekten

Zürich

Pascal Flammer ist Architekt in Zürich, wo er 2005 sein Büro gründete, nachdem er mehrere Jahre mit Valerio Olgiati zusammengearbeitet hatte. Seine Arbeit umfasst sowohl Privat-, Bildungs- und kommunale Wohnbauten. Neben zahlreichen Lehraufträgen an Institutionen in Harvard, an der ETH Zürich und in Princeton wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Derzeit ist er Gastprofessor an der University of Pennsylvania. Heute konzentriert sich seine Arbeit auf den Aufbau von Gemeinschaft¬en in städtischem Kontext sowie auf die Entwicklung nachhaltiger Konstruktionen. Foto: Tobias Stahel

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