Der beste Umbau 2024 – Siegerprojekte
Der Architekturpreis «Der beste Umbau 2024» liefert Anschauungsbeispiele, wie mit einer Renovation, einer Sanierung oder einem Umbau Immobilien den eigenen Bedürfnissen angepasst und auf einen modernen Ausbaustand gebracht werden können. Lassen Sie sich von den ausgezeichneten Projekten inspirieren.
An der neue räume 24 hat die Zeitschrift Umbauen + Renovieren zum zehnten Mal den Architekturpreis «Der beste Umbau» vergeben. Prämiert wurden Projekte, die sich durch ihre architektonische Qualität, den Umgang mit der alten Bausubstanz, die Nachhaltigkeit des Raum- und Energiekonzeptes, die Eingliederung in den vorhandenen Kontext, die Qualität des Innenausbaus, die Wohnqualität sowie eine innovative Herangehensweise beim Umbau auszeichnen.
Publikumssieger - Betonskulptur
Text und Produktion: Kristina Raderschad
Buchner Bründler Architekten haben eine ehemalige Remise aus dem 19. Jahrhundert in einem idyllischen Gartenhof am Spalentor in Basel zum Wohnhaus ausgebaut – und beweisen dabei den virtuosen Umgang mit Raum, Licht und Material.
Unweit vom markanten Spalentor, das als historischer Teil der Basler Stadtmauer als Pforte zur Innenstadt diente und auch heute noch den Übergang zur Spalenvorstadt markiert, führt ein schmaler Weg in einen parkähnlichen Innenhof mit altem Baumbestand. Zur Strasse hin, abgeschirmt von einer Jahrhundertwende-Bebauung im Stil der Neorenaissance, erscheint der Gartenhof als eine geschützte, ruhige Oase jenseits von Trubel und Verkehrslärm der Stadt. An seine rückwärtige Begrenzungsmauer schmiegt sich eine Remise, die 1889 zu der vormals auf dem Grundstück befindlichen Villa ergänzt worden war. Diese Remise diente ursprünglich als Dienstgebäude mit Pferdestall, Kutschenraum mit Heuboden sowie einem rudimentären Wohnteil mit Sattelkammer. Die historische Backsteinfassade des Ensembles aus zwei Gebäudeteilen zieren Ecksteine und Friese aus Berner Sandstein. Der gebogene und geschwungene Ziergiebel aus Holz fiel als markantes gestalterisches Element des Altbaus ins Auge, als ihn Architekt Andreas Bründler und seine Frau Sandra erwarben. Aus den Bögen und Schwüngen dieses Ziergiebels leitet sich das Kreismotiv ab, das sich wie ein roter Faden durch das neu gestaltete Wohnhaus der Familie mit zwei Kindern zieht – als runder Mauerausschnitt, Fensteröffnung oder Geländerdetail. «Mit diesem harmonischen geometrischen Motiv jenseits der Orthogonalität haben wir die Verbindung geschaffen zwischen dem Vorhandenen und dem Neuen», erklärt der Architekt. «Zwei Gebäudeteile werden hinter der historischen Fassade zu einem zeitgemässen Wohngebäude mit hoher räumlicher Qualität.»
«Mit dem geometrischen Motiv des Kreises haben wir die Verbindung geschaffen zwischen dem Vorhandenen und dem Neuen»
Andreas Bründler
Architekt
Komponierte Baumaterialien
Daniel Buchner und Andreas Bründler haben seit der Gründung von Buchner Bründler Architekten 1997 etliche bemerkenswerte Einfamilienhäuser und öffentliche Bauten realisiert. Etwa die puristische Jugendherberge Sankt Alban, das Lofthaus in Basel als Wohnregal aus Beton und Glas oder den Schweizer Pavillon für die World Expo Shanghai 2010. Klar und archaisch wirken die Innenräume ihrer Bauten. Eine reduzierte Materialität lässt die wenigen, bewusst komponierten Baumaterialien in ihrer Wirkung ganz für sich sprechen. Sie schafft, in Verbindung mit den für Buchner Bründler typischen offenen Raumzonen, jene schlichten, sinnlichen Räume, die das Büro auszeichnen.
So auch beim Umbau der historischen Remise zum Wohnhaus, bei dem eine besondere Herausforderung die schwierige Tageslichtsituation darstellte. «Bedingt durch die beiden Brandmauern, an die sich der Bestandsbau im Südosten und Südwesten anlehnt, war das Haus zum Licht komplett geschlossen», so Andreas Bründler. Sein Entwurf antwortet darauf mit einer eingesetzten Struktur aus Beton, konzipiert wie ein Haus im Haus. «Das gesamte Gebäudevolumen sollte von Licht erfüllt werden», so Andreas Bründler. «Unser Ziel war es ausserdem, dem Haus eine stärkere, komplexere Räumlichkeit zu geben.» Vertikales Licht aus Oberlichtern im Dach fällt durch kreisförmige Seitenöffnungen in die neu eingesetzte Raumstruktur. So entsteht im gesamten Haus eine angenehme, natürliche Helligkeit – und eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen, auf ihre jeweilige Funktion massgeschneiderten Räumen mit hoher Aufenthaltsqualität.
Innere Fassade
Das Gartengeschoss des Hauses empfängt den Gast als Einraum, in dem die Bereiche Kochen, Essen und Wohnen offen ineinander übergehen. Die Betonstruktur erscheint hier wie ein überdimensionaler Tisch, unter dem die frei stehenden Raumelemente wie Küche, Garderobe oder Gästebad ihren Platz finden. Die bodentiefen Fensteröffnungen zur Gartenseite erinnern an die ehemaligen Stall- und Scheunentore. Die Schnittstelle zwischen den beiden ursprünglichen Teilen des Bestandsbaus markieren geschwungene Mauervorsprünge beidseits des zentralen, offenen Cheminées. Die Stirnwand des Wohnbereichs öffnet sich über eine grosszügige Verglasung Richtung Nordwesten, um maximal viel Tageslicht von dieser Seite ins Innere zu holen. Dieser Ausschnitt rahmt den seitlichen Ausblick in den Garten mit Wasserbassin, das im Sommer als Swimmingpool dient. Die aufwendige Fensterkonstruktion aus zwei Schiebeelementen lässt sich komplett öffnen; weit kragt der Betonarm mit Führungsschiene in den Aussenraum aus. Die vor Ort aus Beton gegossene Küchenzeile findet ihren Platz vor einem massgefertigten Multifunktionsmöbel, das die Bibliothek vom Eingangsbereich abschirmt. Hinter seiner Verkleidung aus massiven geölten Eichenlamellen verbergen sich Küchengeräte und Stauraum. Der seitliche Treppenaufgang führt in einen zentralen Spielflur zwischen den Zimmern der beiden Kinder im ersten Stock.
Kreisförmige Fensteröffnungen in der «inneren Fassade» leiten Tageslicht in Bade- und Gästezimmer und machen die komplexe Schichtung des Raumes, die durch das Haus-im-Haus-Konzept entsteht, erlebbar. Im Dachgeschoss schliessen sich Elternschlafzimmer und -bad an, verbunden über eine Galerie mit zwei zu Waschbecken umfunktionierten Futtertrögen aus den ehemaligen Stallungen. Ein riesiges Dachfenster in Dreiecksform eröffnet den Blick vom Schlafpodest direkt in die Wolken. Um im Obergeschoss mehr Höhe zu schaffen, wurde die Raumdecke der Ebene darunter auf 2,30 Meter gezogen. Im Erdgeschoss dagegen blieb die ursprüngliche Holzbalkendecke erhalten. Die alten Träger wurden freigelegt und die Betondecke zur Zwischenebene aufgedoppelt. Der tragende gespannte Boden wurde als primärstrukturelle Betonarbeit mit der Anmutung eines Terrazzo ausgeführt. Wandelemente aus sägerauer Tanne erscheinen wie Intarsien innerhalb der Betonstruktur. Unterschiedliche Betonqualitäten kamen für die neu eingebauten Elemente zum Einsatz: grauer Beton für die Grundstruktur mit Stützen, Wänden und Trägern, weisser Beton für die Böden, Treppen und Möbelelemente.
«Das gesamte Gebäudevolumen sollte von Licht erfüllt werden.»
Andreas Bründler
Architekt
Buchner Bründler Architekten
Basel
Daniel Buchner (links) und Andreas Bründler gründeten ihr gemeinsames Architekturbüro 1997 in Basel. Sowohl mit ihren Neubauten als auch bei Umbauten reagieren die Architekten stets auf den Kontext und denken vorhandene Strukturen weiter. In vielen Bauten fällt der Einsatz von Sichtbeton für konstruktive Bauteile wie auch für Einbauten auf. «Die Suche nach Ehrlichkeit beim Material führt oft zur Verwendung von archaisch anmutendem, rohem Beton, der mittels seiner atmosphärischen Dichte und Intensität Geborgenheit schafft», begründen sie ihre Vorliebe.Foto: Basile Bornand
Jurysieger – Im Dialog weiterbauen
Text: Anita Simeon Lutz
Der Umbau und die Erweiterung zweier Wohnhäuser in Lausanne zeigen, dass man gemeinsam weiterkommt. Biolley Pollini Architectes und M-AP Architectes haben für sich und ihre Familien zusammen mit den Nachbarn einen Ort geschaffen, der den Gründerzeit-Häusern mit Leichtigkeit und Schalk eine neue, aussergewöhnliche Wohnqualität verleiht.
«Begonnen hat eigentlich alles damit, dass wir für unsere Familie ein neues Zuhause suchten», erklärt Priscille Biolley von Biolley Pollini Architectes die Ausgangslage. «Wir erfuhren von dieser Liegenschaft, die zum Verkauf stand, aber für uns alleine wäre sie zu teuer gewesen. Per Zufall lief ich Tanguy Auffret Postel von M-AP Architectes über den Weg und zusammen mit einer dritten Familie bekamen wir dann das nötige Geld zusammen, um die Liegenschaft zu kaufen.» Es war jedoch von Anfang an klar, dass die beiden Architektenfamilien über kurz oder lang das Haus erweitern wollten. Beim Aktenstudium fiel ihnen auf, dass in der Quartiersplanung ein Zusammenbau der zwei benachbarten Häuser möglich ist. Wahrscheinlich darum, weil die Quartiersbebauung bis auf diese zwei Häuser aus doppelt so grossen Mehrfamilienhäusern mit zwei Eingängen besteht, die in der Körnigkeit so gross sind wie das neu entstandene Ensemble mit Zwischenbau. Dennoch war es nicht so einfach, die Behörden von der Zwischenbau-Lösung zu überzeugen.
«Die Spuren der alten Fassade geben der Erweiterung einen einzigartigen Charakter.»
Priscille Biolley
Biolley Pollini Architectes
Innovative Lösungen dank Dialog
Obwohl der Eingriff absolut Sinn macht, da die Erweiterung mit minimaler neuer Fassadenabwicklung ein Maximum an zusätzlicher Wohnfläche generierte. Die zuständige Behördenvertreterin sagte: «Okay, wir geben dem Projekt eine Chance, aber ihr müsst uns beweisen, dass es eine gute Lösung wird.» Im gegenseitigen Dialog und dank einer enormen Vorleistung der Architekturbüros gelang es dann, ein Projekt zu entwickeln, das alle zu überzeugen vermochte. Als Erstes musste dafür natürlich die Nachbarschaft ins Boot geholt werden, aber als diese den Vorschlag sah, war sie schnell Feuer und Flamme für das Projekt. Die Erweiterung ermöglichte ihr nämlich, ein neues Wohnkonzept zu realisieren, das ihrer momentanen Familiensituation sehr behagt. Es entstand eine sogenannte «Co-Parenting»-Typologie, bei der die Kinderbereiche, die sich in den mittleren Etagen befinden, entweder zur Mutter im Gartengeschoss oder zum Vater im Dachgeschoss dazugeschlagen werden können. Dazu wurde eine in Schreinerarbeit errichtete Treppe in die bestehende Baustruktur reingestellt, die die Etagen im Innern miteinander verbindet.
Bei der sogenannten «Co-Parenting»-Typologie werden die Kinderbereiche je nach Familienkonstellation der Wohnung der Mutter oder des Vaters dazugeschlagen.
Die alte Fassade bleibt sichtbar
Der Erweiterungsbau wurde in Holz vorfabriziert und vor Ort in die bestehenden Fassaden verankert. «Holz schien uns eine adäquate Wahl, sowohl aus ökologischer wie aus konstruktiver Sicht», sagt Priscille Biolley. Die ehemaligen Fassaden wurden jedoch telquel so belassen, mit dem alten Putz und den alten Fenstern, die so die Geschichte des Umbaus auch im Innern weitererzählen. Priscille Biolley: «Die Spuren der alten Fassade geben der Erweiterung einen einzigartigen Charakter.» «Wir waren sehr darauf bedacht, die Qualität der bestehenden Häuser zu erhalten», sagt Tanguy Auffret Postel von M-AP Architectes. «Es ging uns nicht darum, ein neues Gebäude zu schaffen und das bestehende auszulöschen. Die Gegenüberstellung von Alt und Neu schien uns reizvoll. Wegen des beschränkten Budgets war aber auch Ideenreichtum gefragt. Wir hatten viel Spass dabei, dies zum Vorteil des Projekts umzuwandeln, neue Lösungen zu finden, die nicht versuchen, das Projekt zu vereinheitlichen, sondern im Gegenteil es in eine Reihe von fröhlichen und spielerischen Momenten zu verwandeln. Und ich glaube, dass es dieser Reichtum an Dialog und Lösungen ist, der das Projekt sehr genährt hat.»
Perfekte Einbindung ins Quartier
In der Fassadengestaltung nimmt sich der Zwischenbau sehr zurück, indem sich die Umgebung in der Glasur der Terrakotta Ziegel widerspiegelt. Dadurch bleiben die ehemaligen Volumina der zwei Gründerzeit-Häuser ablesbar, und dennoch nimmt der Anbau etwa durch die Fenstereinteilung Bezug zum Bestehenden. Und was meint die Jury? «Das Ergebnis ist ein hervorragendes Beispiel, wie man mit einem minimalinvasiven Eingriff ein Maximum an Mehrwert für die Wohnqualität des Gebäudes erreicht. Es ist eine Art Weiterbauen im Bestand, das viel Empathie für das Vorhandene, aber auch für die zukünftige Nutzung des Gebäudes aufweist. Dank einem intensiven Dialog auf der Suche nach dem Passenden und dem Feilen an den Lösungen im Detail entstand ein überraschendes zeitgemässes Werk. Ein Einsatz, der unserer Meinung nach die Kürung zum Besten Umbau 2024 verdient hat.»
Biolley Pollini Architectes
Lausanne
Biolley Pollini Architectes wurde von Priscille Biolley und Zeno Pollini im Jahr 2013 gegründet. Das Büro setzt sich für eine kontextbezogene und integrative Architektur ein. Stets aufmerksam auf die Besonderheiten der Bausubstanz und der Orte, an denen es tätig werden soll, definiert das Paar die räumlichen Beziehungen ausgehend von der Nutzung und achtet dabei besonders auf natürliches Licht, Proportionen und Materialien. Foto: Basile Bornand
M-AP Architectes
Lausanne
M-AP Architectes wurde 2017 von Katell Mallédan und Tanguy Auffret Postel gegründet. Das Büro ist auf dem weiten Feld der Architektur tätig, vom urbanen Raum bis zu gebauten Objekten. Es entwickelt Projekte, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Aufgabenstellung eingehen und gleichzeitig die kulturellen und materiellen Implikationen der Form erforschen. Die Projekte zielen darauf ab, sowohl sinnvolle als auch dauerhafte Lösungen für öffentliche und private Räume anzubieten.Foto: Mathilda Olmi