Kurzarbeit trotz voller Auftragsbücher?

Aktuell leiden viele Unternehmen in der Schweiz unter Lieferengpässen und steigenden Rohstoff- und Energiepreisen. Trotz voller Auftragsbücher verzögern sich Auslieferungen, weil die Unternehmen mit längeren Beschaffungsfristen und einem deutlich grösseren Planungsaufwand konfrontiert sind. Für die Konsumenten wiederum dürften schon bald höhere Preise die Folge sein (gemäss dem Bundesamt für Statistik belief sich die durchschnittliche Jahresteuerung im 2021 auf +0,6 %).

Unter dem Strich verzögern die Lieferprobleme die Erholung der Schweizer Wirtschaft, obwohl ein glimpfliches Ende der Corona-Pandemie bevorsteht. Welche Aussichten bietet das Jahr 2022? Welche konkreten Herausforderungen haben KMU zu meistern? Kommt es zu Kurzarbeit, trotz voller Auftragsbücher?


Einer, der sich in der Welt der Industrie-KMU auskennt und sich seit Jahren für ihre Anliegen engagiert, ist Eric von Ballmoos, CEO der Benninger Guss AG und Präsident der ZMIS (Interessengemeinschaft Zulieferer der MEM-Industrie Schweiz).
 

Wie geht es den Zulieferbetrieben in der Industrie aktuell?
Eric von Ballmoos: Den meisten Betrieben geht es wieder gut bis sehr gut. Nach einem schlechten Geschäftsjahr 2020 ist die Nachfrage im 2021 wider Erwarten schnell und stark angestiegen. In diversen Bereichen boomt es so sehr, dass es Unternehmen gibt, die sogar Mühe haben, die Kunden so zu beliefern, wie man das eigentlich möchte und sollte.
 

Was sind denn die Stärken der Schweizer KMU?
Sie sind unglaublich flexibel und anpassungsfähig. Ich stelle bei den Unternehmen immer wieder eine hohe Leistungsbereitschaft fest und den Willen, nach innovativen Lösungen für den Kunden zu suchen und diese auch zu ermöglichen.
 

Da hört man auch eine grosse Begeisterung für die Branche?
Ja, ich war immer ein Kämpfer für die KMU. Ich fühle mich sehr wohl in dieser Welt, in der ich mich beruflich von der Berufslehre als Giessereitechnologe bis hin zum CEO entwickelt habe.


Auf der anderen Seite ist es mir aber auch ein grosses Anliegen, die Bedeutung von KMUs zu unterstreichen. Die kleinen und mittleren Unternehmen prägen die Wirtschaftslandschaft der Schweiz, sie tragen zum Wohlstand bei und sichern Arbeitsplätze. Es ist mir wichtig, dass dies gesehen und anerkannt wird ein. Dafür setze ich ein, auch in meiner Funktion als Präsident der ZMIS.


Wo orten Sie Chancen oder Potenzial für die Zulieferer?
Ich pflege sehr intensiv Netzwerke und in diesem Zusammenhang versuche ich auch, die Firmen dazu zu bewegen, verstärkt zusammenzuarbeiten. Dies eröffnet die Möglichkeit, zum Nutzen des Endkunden ganzheitliche Lösungen hinsichtlich Produkte und Dienstleistungen zu erbringen, gewissermassen «alles aus einer Hand» anzubieten. Das bedingt jedoch teilweise ein Umdenken bei den Unternehmen, eine offene Haltung und gegenseitiges Vertrauen. Seitens ZMIS sind wir überzeugt, dass nachhaltig angelegte Partnerschaften zwischen Schweizer Industriekonzernen und ihren lokalen Zulieferbetrieben einen Teil der aktuellen Lieferengpässe auffangen kann. Es scheint mir, dass der «Asien- Hype» und die «Verlagerungen um jeden Preis» vorbei sind.
 

Welches sind die Herausforderungen für 2022?
Eine ganz aktuelle Herausforderung ist die Verfügbarkeit von Rohstoffen. Nur ein Beispiel: Magnesium, welches für die Aluminiumproduktion und in unserem Fall für die Sphärogussbehandlung eingesetzt wird, wird zu 80% in China hergestellt. Nun wurde dort aus Energiemangel die Produktion eingestellt. Es steht also die Möglichkeit im Raum, dass wir trotz voller Auftragsbücher die Arbeit einstellen müssen, weil uns die Rohstoffe fehlen.


Die Globalisierung setzt Schweizer Zulieferer zwar unter Konkurrenzdruck, die Pandemie hat nun aber auch die Risiken der internationalen Abhängigkeiten vor Augen geführt. Tatsächlich haben Kunden im letzten Jahr bei uns angeklopft, weil ihre Lieferketten nicht mehr funktioniert haben. Es wäre wünschenswert, wenn diese Entwicklung einen nachhaltigen Effekt hätte und die Kunden wieder vermehrt regionaler denken.
 

Der Fachkräftemangel ist ein Dauerläufer und hier wird sich die Situation noch verschärfen, weil die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren in Rente gehen.
 

Schliesslich macht uns in der Industrie die Schweizer Energiepolitik Sorgen, weil wir Bedenken um unsere Versorgungssicherheit haben. Hinzu kommt, dass hier Abkommen mit der EU oder die Ausstiegsziele in Deutschland einen unmittelbaren Einfluss auf unser Geschäft haben. Alles in allem bin ich aber überzeugt davon, dass die Schweizer Industrie-KMU gut aufgestellt sind, um die Herausforderungen erfolgreich meistern werden.

Eric von Ballmoos (im Bild) ist CEO der Benninger Guss AG welche innovative Gussbauteile nach individuellen Kundenwünschen anfertigt. Das Unternehmen engagiert sich stark in der Berufsbildung und bietet mit seinem Quereinsteigerkonzept auch gestandenen Berufsleuten den begleiteten Einstieg in die Branche. Eric von Ballmoost ist Präsident der ZMIS.

Das RUZ pflegt seit 2019 eine Partnerschaft mit dem Branchenverband Swissmen in Bezug auf Finanzierungslösungen für Industrie-KMU und rund um die Berufsbildung und WorldSkills.Artikel «WorldSkills 2021: Partnerschaft zwischen Swissmem Berufsbildung und dem RUZ»
Hilfe bei der KMU-Finanzierung

Autoren: Gabriela Schreiber (Swissmem) und Matthias Weibel (RUZ)

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