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Börsen im Sommerblues
Die Gewinnsaison bringt bislang mehr Schatten als Licht. Es zeigt sich, dass die Erwartungen der Investoren gemessen am konjunkturellen Umfeld zu hoch sind. Das veranlasst diese, Gewinne mitzunehmen.
Die Berichtssaison zum ersten Halbjahr läuft auf Hochtouren. Das Fazit fällt bislang allerdings ernüchternd aus. Viele Unternehmen aus konjunktursensitiven Branchen wie Automobil, Chemie, Industrie oder zyklischem Konsum bleiben hinter den Erwartungen zurück. Letztere bekommen zu spüren, dass bei den Verbrauchern infolge der hohen Inflation der letzten Jahre der Geldbeutel nicht mehr so locker sitzt. Abgesehen davon können selbst solide Geschäftszahlen immer seltener für positive Kursimpulse sorgen. Bestes Beispiel ist Nestlé. Der Nahrungsmittelmulti verzeichnete in den Monaten Januar bis Juni erstmals seit längerem wieder ein organisches Wachstum. Allerdings schmeckte den Investoren die vorsichtigere Jahresprognose nicht. Positiv aufgefallen sind indes Pharmawerte. So konnten sich hierzulande sowohl Novartis als auch Roche klar steigern und haben in der Folge ihre Finanzziele für dieses Jahr angehoben. Davon profitierte im Juli der Schweizer Aktienmarkt: Ende Monat resultierte für den Swiss Performance Index (SPI) ein Plus von 2.3%. Bei seinen ausländischen Pendants kam es dagegen nach dem starken Lauf in der ersten Jahreshälfte zu Gewinnmitnahmen. Der EURO STOXX 50 verlor 1.2% an Wert, die US-Technologiebörse Nasdaq gar 2.3%.
Angesichts der geld- und geopolitischen Unwägbarkeiten griffen die Anleger bei sicheren Kapitalhäfen wieder verstärkt zu. Infolgedessen kletterte der Goldpreis Mitte Juli auf ein Rekordhoch bei 2'483 US-Dollar pro Unze. Zusätzlichen Auftrieb bescherten dem Edelmetall die perspektivisch sinkenden Zinsen. Diese verringern die Haltekosten und erhöhen relative Attraktivität von Gold gegenüber anderen Anlageklassen. Auch der Schweizer Franken liess seine Muskeln spielen: Die helvetische Währung wertete im Monatsverlauf gegenüber Euro und US-Dollar um 1.9% respektive 2.8% auf.
Zinswende voraus
Grundsätzlich zeigt der Inflationstrend beidseits des Atlantiks in die richtige Richtung. Daran ändert auch der jüngste Anstieg der Teuerungsrate im Euroraum von 2.5% auf 2.6% nichts. Allerdings bewahrheitet sich damit einmal mehr, dass im Kampf gegen den Preisauftrieb die letzte Meile die schwierigste ist. Hauptgrund ist das nach wie vor starke Lohnwachstum. Entsprechend haben die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die US-Notenbank Fed im vergangenen Monat die Füsse stillgehalten. Für September rechnen wir dann mit einer nächsten Leitzinssenkung in Europa. Zu diesem Zeitpunkt dürfte auch die Fed die Zinswende einleiten.
Die Geldpolitik bleibt somit bis auf weiteres restriktiv, was die Wirtschaft bremst. Das spiegelt sich in den trotz der Förderrestriktionen der OPEC im Juli rückläufigen Ölpreise (Brent: -6.8%). Auch die Vorlaufindikatoren (PMI) in Europa enttäuschten einmal mehr. Und sogar in den USA ist der PMI für die Industrie wieder unter die 50-Punkte-Marke und somit in den rezessiven Bereich gerutscht. Darüber hinaus machen sich im US-Arbeitsmarkt Spuren einer graduellen Abkühlung bemerkbar. Dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal annualisiert um 2.8% und somit stärker als erwartet gewachsen ist, ändert daran wenig, da es sich lediglich um einen Blick in den Rückspiegel handelt.
Volatiler Sommer
Saisonal stehen mit August und September die schwächsten Börsenmonate ins Haus. Der globale Aktienmarkt, gemessen am MSCI World Index, hat seit der Jahrtausendwende in diesem Zeitraum im Schnitt 1.8% (ohne Dividende) an Wert eingebüsst. Für zusätzliche Volatilität dürften die geld- und geopolitischen Unsicherheiten sowie die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen sorgen. Zur Vorsicht mahnen darüber hinaus die gemessen am konjunkturellen Bild aus unserer Sicht immer noch zu optimistischen Gewinnerwartungen der Analysten. Vor diesem Hintergrund bleiben wir taktisch leicht defensiv positioniert. Bei Aktien halten wir ein Untergewicht. Innerhalb der Anlageklasse präferieren wir aufgrund seines defensiven Charakters den Schweizer Heimmarkt.
Marcel Crameri
Leiter Vermögensberatung Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen