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08.07.2024

Das Glas ist halbvoll

Finanz Ecke Juli 24

Investoren können sich über eine gute Halbjahresperformance freuen. Vor allem Aktien sowie Gold haben deutlich zugelegt. Die konjunkturelle Abschwächung mahnt allerdings zu Vorsicht. Die Schweizer Börse wird davon profitieren.

Das Glas ist halbvoll. Mindestens. Vor allem wenn man die Entwicklung der Aktienmärkte im ersten Halbjahr betrachtet. Der breite Schweizer Markt entwickelte sich im Juni zwar seitwärts, liegt gemessen am Swiss Performance Index (SPI), aber 9.3 Prozent über dem Kurs von Anfang Jahr. Das ist mehr, als Anleger in einem durchschnittlichen Jahr von Aktien erwarten können. Trotzdem hinkte die heimische Börse ihren internationalen Pendants längere Zeit deutlich hinterher und vermochte erst im zweiten Quartal aufzuschliessen.

Überdurchschnittlich entwickelten sich im Juni die Pharmaschwergewichte Roche und Novartis sowie der Lebensversicherer Swiss Life. Mit Blick auf die konjunkturelle Wachstumsverlangsamung erachten wir den Schweizer Markt für das zweite Halbjahr als attraktiv und halten an unserem Übergewicht fest. Neben einer defensiven Sektorallokation überzeugt er auch durch eine attraktive Dividendenrendite und eine massvolle Bewertung.

Anleger profitieren von Euro und Dollar
Aus Schweizer Franken Sicht noch attraktiver fiel die Rendite der europäischen und US-amerikanischen Aktien aus. Dank der Aufwertung des Euro und US-Dollar verbuchten sie ein Plus zwischen 14 und 23 Prozent. Grund für die Frankenschwäche ist die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Weil diese als erste der grossen Währungshüter die Zinsen senkte, reduzierte sich die Attraktivität der hiesigen Valuta.  

Neben der Währungsaufwertung profitierte der technologielastige US-Markt auch vom Thema Künstliche Intelligenz (KI). Dieses treibt die Börsen seit Monaten an. Mit den Bewertungen sind aber auch die Erwartungen und damit das Enttäuschungspotenzial deutlich angestiegen. Folge dieser Entwicklung ist, dass nur wenige Titel für den Aufwärtstrend verantwortlich sind. Den grössten Beitrag leisteten die Aktien des Halbleiterherstellers Nvidia. Seit Anfang Jahr haben sie sich 150 Prozent verteuert. 

Gefragtes Gold
Nicht ganz so erfolgreich schnitt Gold ab. Mit einer Performance von rund 20 Prozent in Franken, gehört das gelbe Edelmetall im ersten Halbjahr dennoch zu den stärksten Anlageklassen. Nach einem stolzen Kursanstieg im März und April tendierte Gold im abgelaufenen Monat seitwärts, behauptete sich aber über dem psychologisch wichtigen Niveau von 2'300 USD pro Unze. Auch der Ausblick ist intakt: Da sich in Erwartung sinkender Zinsen die Haltekosten reduzieren, dürfte die Nachfrage wieder ansteigen. Auch mit Blick auf die anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten bleibt Gold als sicherer Hafen gefragt. Wir halten aus diesen Gründen an unserem Übergewicht fest. 

Ebenfalls über dem Neutralwert liegt unsere Quote von Schweizer Immobilienfonds. Auch diese Vermögensklasse profitiert von den sinkenden Zinsen. Gleichzeitig kann aufgrund des gestiegenen Referenzzinssatzes mit höheren Mieterträgen gerechnet werden.

Zinsen sinken weiter
Ein positives Bild zeigen Obligationen. Schweizer Franken Anleihen legten zu und profitierten damit in der Summe von den Leitzinssenkungen der SNB. Bis Ende Jahr erwarten wir hierzulande einen weiteren Zinsschritt, auch wenn dieser aus Gründen der Preisstabilität nicht zwingend nötig wäre. So oder so hat die SNB mit ihrer Geldpolitik der vergangenen Monate Unabhängigkeit bewiesen und so bei Investoren Vertrauen geschaffen. 

Einen schwierigeren Stand hatten derweil Fremdwährungsobligationen, die an Wert eingebüsst haben. Während sich die Europäische Zentralbank (EZB) lange mit Zinssenkungen zurückhielt, hat sie im Juni die Zinswende eingeleitet. Für die US-Fed sprechen derzeit eine hartnäckig hohe Inflation und starke Konjunkturdaten gegen eine Lockerung der Geldpolitik. Allerdings zeigen sich allmählich Risse, was eine erste Zinssenkung in den USA im September wahrscheinlich macht. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Fed neben der Preisstabilität auch das Ziel einer niedrigen Arbeitslosigkeit verfolgt – und hier wächst der Handlungsspielraum.

Marcel Crameri
Leiter Vermögensberatung Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen