Offene Fragen vom Livestream "Female Leadership"

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FrageAntwort
Guest - 6:30 PM

Sandra Lathion: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für oder gegen ein VR-Mandat?
S. Lathion: Bei einer Anfrage für ein Verwaltungsratsmandat ist für mich einerseits entscheidend, ob mir das Unternehmen mit seinen Werten, seiner Kultur und der Governance zusagt. Andererseits ist für mich wichtig, dass ich mit meiner Person einen wirklichen Mehrwert im Gremium bringen kann und dass ich mir gut vorstellen kann, mit den aktuellen Verwaltungsratsmitgliedern zusammenzuarbeiten. 
Guest - 6:27 PM

Vielen Dank, dass Sie heute hier bei uns sind. Meine Frage ist, wie sie sich das Leben in der Schweiz in zehn Jahren vorstellen, welche Berufe wird es geben, die es heute nicht gibt, und was wird sich im Vergleich zu heute radikal verändern? Herzlichen Dank
E. Dalucas: Es ist anzunehmen, dass Arbeiten, die Roboter erfüllen können, sich vermehrt verändern. So ist z.B. die Treuhand-Branche aktiv daran, ihre Aufgabe als Rechnungsprüferin in Richtung Beratung zu verändern. Gleichzeitig werden neue Berufe im Kontext der Künstlichen Intelligenz entstehen oder sich weiterentwickeln, wie z.B. das Software-Engineering.
Guest - 6:33 PM
Wie hat sich die Beziehungsebene in Ihrem Netzwerk verändert, als ihre Karrieren so erfolgreich wurden.?
E. Dalucas: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Einerseits ist es meiner Meinung nach wichtig für jede Führungskraft, gerade auch die privaten Beziehungen weiter gut zu pflegen. Das ermöglicht Distanznahme zu den beruflichen Herausforderungen und in diesem Sinne auch Erholungszeit, was eine sich selbst führende Leaderin stets auch bewusst einplant, um leistungsfähig zu bleiben. 

Gleichzeitig ist der Ausbau des beruflichen Netzwerkes und die Pflege professioneller Partner auch wichtig, was wiederum Zeit beansprucht und weniger Musse lässt für die private Beziehungspflege. Aber schön ist dann auch, dass berufliche Partner manchmal Freunde werden, wohl auch darum, weil gleiche Interessen verbinden.
Guest - 6:34 PM

In welchen Themen macht Diversität Sinn und wo vielleicht dann doch wieder Gleichheit (Werte etc.)?
E. Dalucas: ‘Diversity’ bezieht sich auf Merkmale wie Alter, Geschlecht, Herkunft, Fachwissen, Sprache, etc. Das sind entweder ererbte, sozial geprägte oder erworbene Merkmale, die bedingt oder nur mit hohem Aufwand veränderbar sind. ‘Values’ stehen hingegen für persönliche Einschätzungen und Bewertungen, die jede einzelne Person bewusst wählt. Ein breit aufgestelltes, diverses Gremium (wie ein Verwaltungsrat) ist darauf angewiesen, eine Wertvorstellung und eine gemeinsame Vision zu entwickeln, um wirksam zu werden und ein Unternehmen strategisch führen zu können.
Guest - 7:05 PM

Im Sozial- und Gesundheitswesen, wo ich herkomme, habe ich häufig erlebt, dass Frauen verhindern, dass andere Frauen aufsteigen können; besonders wenn sie bessere Ausbildungen haben als die Vorgesetzte. Es sind nicht nur Männer die Frauen behindern. Ich (w. 54j) bin seit 1.5 Jahren arbeitslos und die vielen Ausbildungen (Studienabschlüsse) helfen mir nichts, im Gegenteil ich gelte als überqualifiziert. Ein Branchenwechsel ist aber auch nicht möglich, da man nicht weiss, was mit einer Sozialwissenschaftlerin anzufangen. Meine Erfahrung ist, dass man als Frau primär mit Jura oder Wirtschaftsabschluss in eine hohe Position kommt. Obwohl auch Akademikerinnen anderer Studienrichtungen viele der zukunftsträchtigen Fähigkeiten (vgl. Aussagen Frau Lathion), in sich vereinen und diese Fähigkeiten, allem voran kritisches Denken, schon während des Studiums ein Thema ist.
E. Dalucas: Es tut mir leid zu lesen, dass Sie keine passende Stelle finden! Da ich selbst Kultur- und Sozialwissenschaftlerin bin, kann ich Ihnen insofern zustimmen, als dass Sie tatsächlich die Extra-Meile in Sachen Betriebswirtschaft, Finanzen und rechtliches Wissen gehen müssen. Um ein Unternehmen erfolgreich führen zu können oder in eine Führungsposition zu gelangen, brauchen sie z.B. die Fähigkeit, eine Bilanz lesen und ihrem CFO auch die für die Zukunft des Unternehmens relevanten Fragen stellen zu können. Kritisches Denken ist hilfreich, aber nicht, wenn Sie selbst nicht in der Lage sind, beispielsweise auch mit Kennzahlen zu führen oder rechtliche Konsequenzen Ihrer Entscheidungen in den Blick zu bekommen und sich rechtzeitig juristische Unterstützung zu holen.

Möglicherweise könnte Ihnen eine Standortbestimmung weiterhelfen – die Arbeitsvermittlungszentren unterstützen – um herauszufiltern, was Ihre nächsten Schritte sein könnten, und wie Sie sich für eine neue Position profilieren können.
Guest - 7:06 PM 

Aus meiner Sicht hängt der Fachkräftemangel auch mit einem Mindset zusammen, der da wäre, dass nur eine Person mit diesem oder jenem Ausbildungsabschluss der Leadership Position gerecht werden kann. Spezifische Ausbildungszertifikate zählen mehr als an persönliche Fähigkeiten obwohl letztere immer wichtiger werden. Oder wie sehen Sie das?
E. Dalucas: Als Assessorin, die öfters Kandidat:innen für Führungspositionen zu beurteilen hat, kann ich das so nicht bestätigen. Es ist das Gesamtbild - also Ausbildungen, kognitive und emotionale Fähigkeiten, Persönlichkeit sowie Kompetenzen und Erfahrungen - das letztlich darüber entscheidet, ob eine Bewerber:in eine hohe Passform zu einem spezifischen Anforderungsprofil mitbringt.
Guest - 7:13 PM

Was halten Sie von Co-Leitungspositionen. Warum gibt es nicht mehr Top-Sharing-Angebote?
E. Dalucas: In der NZZ vom 04.10.23 wird diese Frage anhand der Ernennung der Co-CEOs der Bank Vontobel diskutiert – die Lektüre scheint mir aufschlussreich. Meiner Erfahrung nach können Co-Leitungsfunktionen oder Top-Sharing funktionieren, wenn sich die beiden Persönlichkeiten fachlich ergänzen, sind aber stets mit hohem Aufwand verbunden für den Abgleich. Es ist ein schwer lösbares Dilemma: denn einerseits sollen sich die Führungspersonen profilieren und andererseits auch zugunsten der Co-Leitung zurücknehmen. Ebenso kann die Co-Funktion für Mitarbeitende sowie alle weiteren Stakeholder eine grosse Herausforderung bedeuten, weil es immer zwei Orientierungsrichtungen gibt.