«Zentral für die Finanzierung ist die Ertragskraft»

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Ist der Kaufpreis hoch oder sind mehrere Parteien in eine Unternehmensnachfolge involviert, wird die Nachfolgefinanzierung schnell komplex. Was es für solche Fälle braucht und wie Käuferinnen und Käufer mit den spezifischen Herausforderungen umgehen können, erklären die Raiffeisen Experten Marcel Haab und Alexander Cassani im Interview.
 

Wann ist eine Nachfolgefinanzierung «komplex»?

Marcel Haab (MH): Einen wichtigen ersten Indikator gibt sicherlich der Kaufpreis. Allerdings muss ein hoher Preis nicht zwingend bedeuten, dass die Finanzierung dieser Übernahme auch tatsächlich sehr komplex ist. Neben dem Preis können insbesondere die Struktur und der Zustand der zu übernehmenden Gesellschaft sowie die Zahl der in die Transaktion involvierten Parteien Einfluss auf die Komplexität haben.

 

«Entscheidend für die Finanzierungsfähigkeit sind die erwarteten zukünftigen Einnahmenströme.»

Marcel Haab, Verantwortlicher Strukturierte Finanzierungen bei Raiffeisen Schweiz

 

Was muss der Käufer bei komplexen Nachfolgefinanzierungen besonders beachten?

MH: Die wichtigste Frage ist auch in komplizierteren Fällen, ob der Kaufpreis überhaupt finanzierbar ist. Zentral dabei ist die künftige Ertragskraft des Unternehmens: Generiert das Geschäft in der Zukunft genügend Cash Flow, um die Schulden zu tragen – hat es also die entsprechende Verschuldungskapazität?

 

Das heisst, der Businessplan ist in komplizierteren Fällen noch wichtiger?

Alexander Cassani (AC): Ja, der Käufer sollte eine möglichst gute Vorstellung davon haben, wie sich die finanziellen Bedürfnisse der Firma mittelfristig, das heisst während der Kreditlaufzeit, entwickeln. In dieser Zeitspanne ist er in ein vertragliches Korsett eingebunden. Dabei sind finanzielle Sicherheitspuffer sowie genügend operative Flexibilität einzubauen, da die Entwicklung selten genauso verläuft wie beim Kauf angenommen. Ausgehend von dieser finanziellen Mittelfristplanung lässt sich dann eine sinnvolle Finanzierungsstruktur und insbesondere auch der Umfang der Fremdfinanzierung des Kaufpreises festlegen.

MH: Für die mittelfristige Geschäftsplanung kann es sich für den Käufer lohnen, mit Corporate-Finance Experten zusammenzuarbeiten. Ebenso für die Strukturierung der gesamten Transaktion und für die Abstimmung der verschiedenen Elemente und beteiligten Parteien. Die Experten hinterfragen die getroffenen Annahmen, sorgen für eine transparente Herleitung, untermauern die Planzahlen und helfen, die gesamte angestrebte Transaktionsstruktur aufzugleisen und zu dokumentieren.

 

Vor dem Finanzierungsgespräch mit der Bank sind also eine Menge Hausaufgaben zu erledigen.

AC: Das ist so. Die Corporate-Finance-Experten wirken etwa darauf hin, dass möglichst viel betrieblich nicht notwendige Vermögenswerte oder Nebengeschäfte aus der Zielgesellschaft herausgelöst werden. Allenfalls kann der Kauf auch gestaffelt aufgegleist werden, oder aber der Verkäufer beteiligt sich auch an der neuen Gesellschaft. All das reduziert den Kaufpreis und damit den unmittelbaren Finanzierungsbedarf. Allenfalls müssen vorgängig zum Kauf noch die Gruppenstruktur bereinigt oder vereinfacht oder im Erwerbszeitpunkt bestehende Fremdfinanzierungselemente abgelöst werden.

 

«Der Käufer sollte eine möglichst gute Vorstellung davon haben, wie sich die finanziellen Bedürfnisse der Firma während der Kreditlaufzeit entwickeln.»

Alexander Cassani, Leiter Corporate Finance bei Raiffeisen Schweiz

 

Inwiefern spielt die Risikobereitschaft des Käufers bei der Strukturierung der Finanzierung eine Rolle?

AC: Diese fliesst unmittelbar mit ein. Soll der Fremdkapitalanteil und damit das Risiko höher sein, muss der Käufer ein engeres vertragliches Finanzierungskorsett akzeptieren. Gewichtet der Übernehmer die operative Flexibilität und den unternehmerische Handlungsspielraum stärker, wird er in der Tendenz mehr eigene Mittel und weniger Fremdkapital für die Finanzierung verwenden.

 

Ist die angestrebte Transaktion strukturiert, folgt das Aufgleisen der Finanzierung. Was macht die Bank bei einer entsprechenden Kreditanfrage?

MH: Von der Finanzierungsseite her prüfen wir die aufgezeigte Transaktionsstruktur und plausibilisieren den vorgesehenen Kaufpreis unter dem Blickwinkel der möglichen Kreditvergabe. Dabei kommt es natürlich, durchaus vor, dass wir auch Anregungen oder Ideen für allfällige Anpassungen der Transaktionsstruktur einbringen. Sind unsere Voraussetzungen für eine Finanzierung erfüllt, kann eine Kreditofferte ausgearbeitet werden.

 

Wie wird die Bankfinanzierung konkret ausgestaltet?

MH: Im Zentrum steht der klassische Bankkredit in Form einer fix zugesagten Akquisitionskreditlimite mit einer vorgegebenen Laufzeit – in der Regel fünf bis sieben Jahre – und fest vereinbarten Zinskonditionen und Kreditbedingungen. Ein Grossteil des Kredites wird über die Laufzeit amortisiert. Wird zusätzlich zur Finanzierung des Kaufpreises auch noch Fremdfinanzierung für das operative Geschäft benötigt, kommen Betriebskredite oder auch Leasing und Garantien zum Einsatz.

 

Welche Möglichkeiten bestehen, wenn der notwendige Kreditrahmen für den Kauf für eine einzelne Bank zu hoch ist?

AC: Dann kommen sogenannte Bankensyndikate oder Club-Deals zum Zug. Dabei tun sich mehrere Banken zusammen und jede Bank übernimmt einen Teil der notwendigen Gesamtkreditsumme.

 

Welche Sicherheiten verlangt die Bank?

MH: Primär stützen wir uns bei Nachfolgefinanzierungen auf die Ertragskraft des Unternehmens. Die Finanzierungsfähigkeit richtet sich damit nicht nach dem Umfang der Sicherheiten, sondern nach den erwarteten zukünftigen Einnahmenströmen. Darüber hinaus fungieren die Aktien der übernommenen Gesellschaften, Garantien der wesentlichen Gruppengesellschaften und weitere materielle Aktiven wie zum Beispiel Betriebsliegenschaften für die Bank als Sicherheit.

 

Wie hoch kann der Anteil Fremdkapital sein?

MH: Ein Käufer sollte als Grundregel mindestens 30 Prozent Eigenkapital beisteuern. In der Praxis hängt der Fremdkapitalanteil insbesondere bei grösseren Übernahmen aber stark von der Bewertung, also von der Höhe des Kaufpreises, ab. Liegt der Preis deutlich über dem Vierfachen des jährlichen EBIDTA, kann der maximale Anteil Fremdkapital rasch kleiner werden.

AC: Einen Einfluss hat zusätzlich auch, in welchem Umfang und mit welcher Geschwindigkeit die übernommene Firma fähig ist, die Amortisationen zu leisten. Je schneller der Kredit oder Teile des Kredits zurückbezahlt werden, desto höher kann das anfängliche Finanzierungsvolumen sein.

 

Welche Möglichkeiten gibt es, wenn das Eigenkapital für die Übernahme nicht ausreicht?

AC: Solche Situationen sehen wir öfters bei Management-Buy-Outs oder Buy-Ins. Also in Fällen, in denen das bestehende oder ein aussenstehendes Management das Geschäft übernimmt, aber nicht über das notwendige Eigenkapital verfügt. Hier suchen wir zusammen mit dem Management nach ‘finanziellen Sponsoren’, in der Regel Private Equity Gesellschaften. Diese steuern zusätzliches Eigenkapital bei und steigen dann in der Regel nach drei bis sechs Jahren wieder aus.

MH: Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise auch ein nachrangiges Darlehen des Verkäufers, sogenannte Vendor-Loans. Relativ häufig kommen zudem auch Earn-Out-Strukturen zum Einsatz, bei denen ein Teil des Kaufpreises erfolgsabhängig zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Cash-Flow bezahlt wird.

 

Wie kann der Verkäufer darüber hinaus zu beitragen, die Komplexität zu vermindern bzw. die Transaktion zu ermöglichen?

MH: Hilfreich ist sicherlich, wenn der Verkäufer bereits frühzeitig damit beginnt, die Nachfolge vorzubereiten und alle relevanten Aspekte aufzugleisen. Dazu gehört unter anderem, frühzeitig alle nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerte oder Aktivitäten aus dem Unternehmen herauszulösen.

AC: Bei grösseren Summen beziehungsweise komplexeren Transaktionsstrukturen kommt der gesamten Verkaufsdokumentation eine wichtige Bedeutung zu. Dazu zählen beispielsweise vom Verkäufer in Auftrag gegebene Due-Diligence-Reports oder Finanzdokumentationen. Stehen solche Unterlagen den Käufern und finanzierenden Banken zur Verfügung, erhöht das die Transparenz und erleichtert den Prozess.

Marcel Haab, Verantwortlicher Strukturierte Finanzierungen bei Raiffeisen Schweiz

Marcel Haab, Verantwortlicher Strukturierte Finanzierungen bei Raiffeisen Schweiz

Marcel Haab verantwortet das Thema Strukturierte Finanzierungen bei Raiffeisen Schweiz. In dieser Funktion unterstützt er Unternehmen bei der Finanzierung von Nachfolgelösungen, u.a. auch in Form von Club Deals, bei denen verschiedenen Banken an der Finanzierung einer Transaktion beteiligt sind. Der Betriebsökonom FH verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Schweizer Firmenkunden- und Kreditgeschäft.

Alexander Cassani, Leiter Corporate Finance bei Raiffeisen Schweiz

Alexander Cassani, Leiter Corporate Finance bei Raiffeisen Schweiz

Alexander Cassani ist Leiter Corporate Finance bei Raiffeisen Schweiz. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Bereich M&A, in der Corporate Finance Beratung und im Kapitalmarktgeschäft. Vor Raiffeisen war er bei der Credit Suisse in Zürich und London sowie bei der Bank J. Safra Sarasin tätig. Alexander Cassani ist bernischer Fürsprecher (Rechtsanwalt).