Anlegepsychologie & Tipps für Privatanleger
«Bei einer Mindesthaltedauer von zehn Jahren war die Rendite am Schweizer Aktienmarkt in den letzten 80 Jahren zu über 90 Prozent positiv – unabhängig vom Einstiegszeitpunkt. Bei 15 Jahren Haltedauer immer positiv.»
Kilian Kaufmann
Anlagekundenberater
Wir Menschen sehen uns gerne als rationale Wesen. So sieht sich auch der «Homo oeconomicus». Die Forschung zeigt aber auf, dass sich Anlegerinnen und Anleger immer wieder irrationale Fehler leisten. Rationale Entscheidungen zu treffen, fällt uns schwerer, als wir denken. Schliesslich sind wir emotionale Wesen, stehen unter Zeitdruck und verfügen nicht über alle Informationen.
Im Interview mit Anlagekundenberater Kilian Kaufmann erfahren Sie, welche typischen «Fehler» Sie als Anleger/in vermeiden sollten und erhalten wichtige Tipps rund um Ihre Anlagestrategie.
Welche Fehler machen Anlegerinnen und Anleger am meisten und warum?
Privatanleger haben oftmals eine ganz klare Vorstellung bezüglich dem Markt und dessen zukünftigen Entwicklungen im Kopf. Der Mensch hat eine Tendenz, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen. Dies nennt man den Bestätigungsfehler. Durch die grosse Informationsflut in den verschiedenen Medien bei einer neuen Marktentwicklung werden ältere Meldungen und Entwicklungen schnell verdrängt. Somit wird ein zu grosser Fokus auf aktuelle Meldungen gelegt, auch wenn diese nicht dem langfristigen Verlauf entsprechen, dies nennt man auch Rezenzeffekt. Als Folge werden in beiden Fällen Investitionsentscheidungen auf Grundlage von nur begrenzten Informationen getroffen.
Anleger haben oftmals das Gefühl, das andere Marktteilnehmer besser informiert sind und deswegen gewisse Entscheidungen treffen. Als Folge dieser vermeintlichen asymmetrischen Informationen wird das Marktverhalten gewisser Akteure als Folge dieser zusätzlichen Informationen gedeutet und Kleinanleger schliessen sich diesem Entschluss der anscheinend besser informierten Marktteilnehmer an. Es entsteht ein Herdenverhalten und immer mehr Anleger wollen von dem vermeintlichen Trend profitieren. Durch die zunehmende Resonanz in den Medien werden mit der Zeit auch Personen auf den Hype aufmerksam, welche zuvor noch nie in vergleichbare Produkte investiert haben und die Preise werden weiter in die Höhe getrieben.
Was gilt es neben Verhaltensfehlern ebenfalls zu vermeiden?
Zu sehr auf den Einstiegszeitpunkt setzen: Den «richtigen» Zeitpunkt zu erwischen klappt nie – man ist als Anleger immer zu früh oder zu spät. Zudem: Bei einer Mindesthaltedauer von zehn Jahren war die Rendite am Schweizer Aktienmarkt in den letzten 80 Jahren zu über 90 Prozent positiv – unabhängig vom Einstiegszeitpunkt. Bei 15 Jahren Haltedauer immer positiv.
Zu wenig diversifiziert anlegen: Der Grossteil der privaten Schweizer Aktienportfolios sind zu wenig diversifiziert. Nur 25 % haben > 5 Aktien im Portfolio. In der modernen Portfoliotheorie unterscheidet man zwei Arten von Risiken. Das systematische Risiko, auch Marktrisiko genannt, beeinflusst alle Wertpapiere gleichermassen. Es umfasst beispielsweise Wechselkurs-, Zins- oder konjunkturelle Risiken und kann vom Anleger nicht vermieden werden. Das unsystematische Risiko hingegen beinhaltet anlagespezifische Unsicherheiten wie etwa den Verlust aufgrund eines Firmenkonkurses. Dieses kann durch breite Streuung der Portfolios auf verschiedene Anlageklassen, Regionen, Währungen und Branchen verteilt und damit reduziert oder gar eliminiert werden. Der Diversifikationseffekt ist dabei umso grösser, je weniger die Einzelanlagen miteinander korrelieren.
Was sollten Privatanleger wenn immer möglich beachten?
Emotionen ausblenden: Anleger begehen in Krisen immer wieder den gleichen Fehler: Sie verfallen in Panik und verkaufen ihre Wertpapiere im ungünstigsten Moment. Doch Emotionen sind kein guter Anlagekompass. Auch wenn es nicht leichtfällt: Jetzt gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren und Aktionismus zu vermeiden
Anlagestrategie beibehalten: Die Anlagestrategie basiert auf der persönlichen Risikobereitschaft und der finanziellen Risikofähigkeit des Anlegers. Sie ist langfristig und gilt unabhängig von der Marktentwicklung. Es gibt deshalb keinen Grund, die Strategie aufgrund von Kurskorrekturen über den Haufen zu werfen.
Breit diversifizieren: Ein gut diversifiziertes Portfolio verteilt die Risiken auf verschiedene Anlageklassen, Branchen und Regionen. Dies bietet gerade auch in stürmischen Zeiten Sicherheit und hilft, Verluste in Grenzen
zu halten.
Langfristig anlegen: An der Börse ist nicht das Timing entscheidend, sondern wie lange man im Markt investiert ist. Da kurzfristige Marktschwankungen über die Zeit ausgeglichen werden, gilt: Je langfristiger der Anlagehorizont, desto grösser sind die Renditechancen.