Mit mentaler Stärke durch turbulente Zeiten
Franziska Keller weiss, wie man schwierige Situationen meistert. Sie ist Mentaltrainerin und coacht junge Biathletinnen und Biathleten. Ihr Credo: Mentale Stärke hilft nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag – zum Beispiel, wenn es um die eigenen Finanzen geht.
Mentale Stärke, was ist das?
Franziska Keller: Mentale Stärke heisst nichts anderes, als stark im Kopf beziehungsweise stark in den Gedanken zu sein. Eine mental starke Person zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine Vielzahl an Eigenschaften mitbringt, um herausfordernde Situationen zu meistern. Gerade auch solche, in denen Aussenstehende denken: Wie ist es nur möglich, so cool zu bleiben?
Sie sind vor allem im Biathlon tätig. Welche Herausforderungen stellen sich da konkret?
Das Schiessen unter Belastung ist eine grosse Herausforderung. Es gilt, die Angst vor Fehlschüssen abzubauen. Aber auch den richtigen Fokus zu finden und Lösungswege zu haben, falls man nicht trifft. Hinzu kommen Themen, die in vielen Sportarten wichtig sind: Wie gehe ich mit Leistungsdruck um, mit schlechtem Wetter, mit gesundheitlichen Problemen oder wie ist mein Selbstbewusstsein?
Das kann man trainieren?
Ja, sogar sehr vielseitig. Für mich gehört Mentaltraining zur Grundausbildung einer Sportlerin, eines Sportlers – wie Technik, Kraft oder Ausdauer.
Was übt man im mentalen Training?
Es gibt drei Grundtechniken. Die erste ist das Visualisieren: Denn nur was ich mir vorstellen kann, kann ich auch erreichen. Die zweite Technik ist das Atmen: Ich kann es entweder zur Beruhigung oder zum Aktivieren einsetzen. Und drittens geht es ums Denken: Ich analysiere meine Gedanken, erkenne, wohin sie tendieren, und stoppe sie, wenn sie in eine falsche Richtung gehen. Dazu kommen ergänzende Techniken wie zum Beispiel Konzentration, Entspannungstechniken oder Zieldefinition.
Welchen Einfluss hat das im Wettkampf?
Ein Beispiel zum «Gedankenstopp»: Ein junger Biathlet hat kurz vor dem Start einen tiefen Kratzer an seinem Gewehr entdeckt. Wie ist dieser Kratzer da hingekommen? Hat sich jemand am Gewehr zu schaffen gemacht? Diese Gedanken haben ihn während des Wettkampfs nicht losgelassen und seine Leistung negativ beeinflusst. Wir haben das anschliessend gemeinsam analysiert und Strategien erarbeitet, wie er solche Gedanken während des Wettkampfs beiseitelegen kann.
Sind solche Techniken auch ausserhalb des Sports nützlich?
Ja – ich sehe das häufig bei der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ihnen helfen diese Techniken auch in der Schule, bei Prüfungen oder bei der Arbeit – sie lernen sich zu fokussieren, Ziele zu definieren oder auch entspannter eine Situation anzugehen.
«Mentale Stärke hilft, sich auf Herausforderungen und Turbulenzen im Alltag besser einlassen zu können.»
Auch in der Finanzwelt gibt es Turbulenzen – ein scheinbar unkontrollierbares Auf und Ab an der Börse. Das kann verunsichern und abschrecken. Wie helfen mentale Techniken, mit solchen Phasen umzugehen?
Turbulente Phasen lösen oft negative Gedanken aus. Plötzlich sage ich mir: Wenn ich da einsteige oder sogar weitermache, sehe ich mein Geld nie wieder. Mentale Techniken können helfen, Gedanken wie diese zu stoppen. Statt im Gedankenkarussell zu drehen und sich verrückt zu machen, hält man besser inne und kontaktiert seinen Kundenberater bezüglich Chancen und Risiken. Sportler würden sich ja auch mit dem Trainer besprechen, um die beste Herangehensweise an eine Herausforderung zu finden.
Kann man belastende Situationen auch vermeiden?
Hier können Visualisierungstechniken nützlich sein. Dabei lernt man, sich detailliert vorzustellen, wie man angesichts turbulenter Finanzmärkte bestmöglich reagieren würde – so kann man lernen, in Ruhe Entscheide zu treffen, mögliche Lösungswege anzuwenden und so eine turbulente Phase zu überstehen. Das kann helfen, den Einstieg zu wagen und die persönlich passende Anlagestrategie zu finden, die einen eben nicht belastet.
Besteht da nicht die Gefahr, dass man zu vorsichtig wird? Sportlerinnen und Sportler müssen sich ja auch überwinden, um eine Topleistung zu vollbringen.
Im Sport spricht man vom «optimalen Leistungszustand». Die beste Leistung erbringt man, wenn man nicht zu entspannt, aber auch nicht zu angespannt oder sogar überspannt ist. Das lässt sich auch auf die Finanzen übertragen.
Wie?
Es ist wichtig, dass man einerseits seine Persönlichkeit, andererseits seine Ziele gut kennt. Wie risikofreudig bin ich? Wie emotional? Aber auch: Was will ich erreichen? Wie viel Zeit gebe ich mir dafür? Ohne Risiko erreicht man seine Ziele nicht, mit übermässigem Risiko handelt man entgegen seiner Persönlichkeit. Der Königsweg liegt irgendwo dazwischen und ist bei allen Anlegerinnen und Anlegern sehr individuell.
Franziska Keller
Sport-Mentaltrainerin IAP
Franziska Keller ist Sport-Mentaltrainerin IAP und betreut vorwiegend Biathletinnen und Biathleten zwischen 12 und 20 Jahren. Sie ist als Biathlon-Trainerin im Skiclub Einsiedeln tätig und arbeitet als J+S-Ausbildungsverantwortiche Biathlon bei Swiss-Ski.
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