Digital Vorsorgen und Anlegen gewinnt weiter an Beliebtheit

Digital Vorsorgen und Anlegen wird in der Schweiz immer populärer. Das zeigt eine Studie der Hochschule Luzern. Wie Schweizerinnen und Schweizer digitale Lösungen nutzen und warum die menschliche Beratung trotz Robo Advisor wichtig bleibt, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Andreas Dietrich.

Herr Dietrich, was ist die wichtigste Erkenntnis der Studie «Digitales Anlegen und Vorsorgen»?

Wir stellen fest, dass der Bekanntheitsgrad digitaler Anlagelösungen in den letzten Jahren markant gestiegen ist. Im Jahr 2020 hatten 39 Prozent der Befragten noch nie davon gehört. Heute sind es nur noch 28 Prozent. Demgegenüber können sich nun fast zwei Drittel etwas darunter vorstellen.

Und wird das Angebot auch stärker genutzt?

Ja. Ein Fünftel der Personen, die Wertschriften besitzen, setzen bereits auf digitale Lösungen. Vor drei Jahren waren es lediglich 8 Prozent.  

Wer investiert in der Schweiz heute über digitale Kanäle?

Hauptsächlich sind es Männer. Sie sind zwischen 40 und 50 Jahre alt, überdurchschnittlich gut gebildet, finanzaffin und wohnen mehrheitlich in der Deutschschweiz. 

Und die Frauen? 

Sie investieren generell weniger in Wertschriften. Während bei den Männern 61 Prozent anlegen, sind es bei den Frauen nur 41 Prozent. Generell kann man feststellen, dass sich Frauen weniger für Finanzprodukte interessieren – und zwar durch alle Altersgruppen hindurch. Dennoch zeigt sich: Ein Drittel der befragten Frauen könnte sich vorstellen, digitale Lösungen zu nutzen. Bei der letzten Studie war es nur ein Zehntel.

Über die Studie «Digitales Anlegen und Vorsorgen in der Schweiz» 

Die Studie «Digitales Anlegen und Vorsorgen in der Schweiz» der Hochschule Luzern wurde von Raiffeisen Schweiz und Vontobel in Auftrag gegeben. Das LINK-Institut führte im November 2022 eine repräsentative Onlinebefragung von 1'027 in der Schweiz wohnhaften Personen aus allen Landesteilen durch. Ausgewertet wurde die Umfrage durch das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ.

 

Jetzt vollständige Studie «Digitales Anlegen und Vorsorgen» herunterladen

Das bedeutet insgesamt: Die Tendenz ist steigend. Dennoch gibt es viele, die keine digitalen Lösungen nutzen. Warum diese Zurückhaltung?

Es gibt noch immer verschiedene Vorbehalte gegenüber digitalen Anlage- und Vorsorgelösungen. Personen, die nicht an solchen Angeboten interessiert sind, nennen vor allem zwei Gründe: Entweder sie haben grundsätzlich kein Vertrauen in digitale Lösungen oder sie bevorzugen den persönlichen Austausch. Zwar hat ihre Bekanntheit zugenommen – aber «davon gehört» haben und es wirklich nutzen, ist noch immer ein beträchtlicher Unterschied.  Zudem präferieren viele Kundinnen und Kunden Angebote von ihrer Hausbank. Und diese bieten nicht immer digitale Lösungen an.

Kommt hinzu, dass viele Leute gar nicht anlegen.

Das stimmt. Mehr als 50 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer legen kein Geld in Wertschriften an. Insofern ist auch die potenzielle Kundschaft eingeschränkt. Insgesamt wird es also noch eine Weile dauern, bis sich das digitale Anlegen und Vorsorgen auf breiter Ebene durchsetzt.

Im Ausland sind digitale Lösungen beliebter. Warum? 

Das hat unter anderem mit der Marktstruktur zu tun. Anders als bei uns kann man in Grossbritannien oder den USA bei den «normalen» Retailbanken keine Wertpapier-Geschäfte abwickeln. Deshalb sind digitale Lösungen in diesen Ländern gefragter. Deutschland mit einem ähnlichen Markt wie die Schweiz zeigt aber, dass auch diese Märkte eine gewisse Relevanz erreichen können. Insofern erwarte ich, dass auch der Schweizer Markt weiter wachsen wird und digitale Lösungen eine wichtige Alternative zu den klassischen Anlagemöglichkeiten werden.

Wie meinen Sie das konkret?

Digitale Lösungen, bspw. Robo Advisory, sind durchaus gute Optionen für Menschen, die ihr Geld kostengünstig und trotzdem effizient anlegen möchten. Zudem sind gerade Robo Advisors auch für Fortgeschrittene interessant – und werden bislang auch hauptsächlich von dieser Gruppe genutzt. Viele von ihnen betrachten das als ergänzendes Anlageprodukt. Sie besitzen Aktien und Fonds in einem Wertschriftendepot und nehmen dann noch eine digitale Lösung dazu.

Einfach erklärt

Was ist ein Robo Advisor?

Ein Robo Advisor ist ein Computersystem, das Empfehlungen zur Vermögensanlage geben kann. Der Robo Advisor basiert auf Algorithmen und automatisiert die Anlageberatung. 

Was ist den Schweizerinnen und Schweizern grundsätzlich lieber in Bezug auf Bankgeschäfte: online oder persönlich?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt die rein digitale Kundschaft und jene, die fast alles in der Geschäftsstelle macht. Dann gibt es einige, die einfache Geschäfte online erledigen und komplexere auf der Bank. Spannend ist, dass es bei rund 40 Prozent der Befragten kein Muster gibt – je nach Laune erledigen sie ihre Geschäfte online oder physisch. Für mich heisst das: Banken, die beides anbieten, sind im Vorteil.

Der Robo Advisor wird die persönliche Anlageberatung also nicht ersetzen?

Nein, denn die Unsicherheit beim Thema Anlegen ist gross. Viele haben Angst, die falschen Entscheidungen zu treffen. Deshalb wird es auch in Zukunft ein Bedürfnis sein, mit Profis über Geldanlagen zu reden.

Welches Potenzial sehen Sie in digitalen Vorsorgelösungen?

Digitale Angebote in der privaten Vorsorge haben meiner Meinung nach Zukunft, weil die Komplexität in diesem Geschäft weniger gross ist. Die Säule 3a ist für die meisten verständlich. Man zahlt ein bis zum gesetzlich festgelegten Höchstbetrag – der Erklärungsbedarf ist geringer.

Wie werden sich die Lösungen für das digitale Anlegen und Vorsorgen weiterentwickeln?

Allgemein geht der Trend hin zu digitalen Assistenten. Sie werden uns Alltagsentscheide abnehmen und auch beim Anlegen unterstützen. Wir werden automatisch personalisierte News, Empfehlungen und Einschätzungen erhalten. Zudem kann dank der Blockchain-Technologie im Banking auch der Zugang zu neuen Lösungen erleichtert werden, die für einzelne Investorinnen und Investoren interessante Anlagemöglichkeiten bieten.

Einfach erklärt

Was ist eine Blockchain?

Eine Blockchain ist eine öffentliche digitale Datenbank, deren Daten chronologisch geordnet und in einer dezentralen Infrastruktur verwaltet werden. Dabei werden die einzelnen Daten-Blöcke einer kontinuierlich wachsenden Kette angeordnet. Dieses Prinzip erklärt den Namen «Blockchain». Dank kryptografischen Mechanismen können aufgenommene Daten von allen überprüft, aber nicht mehr verändert werden.

«Entweder/oder» mit Andreas Dietrich

 

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Portrait Prof. Dr. Andreas Dietrich

Prof. Dr. Andreas Dietrich

Professor für Banking and Finance Hochschule Luzern (HSLU)

Der Ökonom Andreas Dietrich ist Professor für Banking and Finance an der Hochschule Luzern (HSLU). Ausserdem leitet er das Institut für Finanzdienstleistungen (IFZ) der HSLU in Rotkreuz/ZG. Dietrich lebt mit seiner Familie am Zürichsee.

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