Studie zur Raumfahrtindustrie Schweiz: Ein Sektor mit grossem Potenzial

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Ob Hardware für Satelliten und Raketen oder auf Weltraumdaten basierende Dienstleistungen: Die Schweiz mischt in der neuen Ära der Raumfahrt tüchtig mit. New Space bietet Schweizer Unternehmen vielseitige Chancen, birgt aber auch Herausforderungen. Die Raiffeisen-Studie «Raumfahrtindustrie Schweiz» gibt einen Überblick.

 

Wirtschaftliche Interessen im All

Die Raumfahrtindustrie hat sich gewandelt. Wo früher oft geopolitische Interessen im Fokus standen, ist heute der wirtschaftliche Nutzen des Weltalls in den Vordergrund gerückt. In der neuen Raumfahrt-Ära, dem sogenannten New Space, dominieren nicht mehr staatliche Akteure, sondern vermehrt private Unternehmen. Sie revolutionieren durch innovative Technologien und kostengünstige Lösungen den Zugang zum Weltall. 

Anzahl erfolgreicher Starts von orbitalen Trägerraketen

Anzahl erfolgreicher Starts von orbitalen Trägerraketen. Quelle: Aerospace Security Project, Bryce, Raiffeisen Economic Research

 

Der wichtigste Treiber von New Space ist die US-Firma SpaceX von Elon Musk. Mit ihren Trägerraketen hat sie die Kosten für den Transport in den Orbit um ein Vielfaches reduziert und damit das Feld für neue Märkte und Geschäftsmodelle geöffnet. Aber auch technologische Innovationen in den Bereichen Miniaturisierung, 3D-Druck, Robotik und Künstliche Intelligenz gehören zu den Wachstumstreibern. Nicht mit der rasanten technischen Entwicklung mithalten konnte bislang die Regulierung. So gibt es zum Beispiel keine Richtlinien zur Vermeidung von Weltraumschrott.

Transportkosten für 1kg Nutzlast

Transportkosten für 1kg Nutzlast. Quelle: CSIS Aerospace Security Project, Raiffeisen Economic Research

 

Hardware und datenbasierte Dienstleistungen

Unterteilt wird die Weltraumbranche in zwei Sektoren: Upstream-Aktivitäten umfassen die Entwicklung, Produktion und den Betrieb von Hardware wie zum Beispiel Raketen oder Satelliten. Deren Produktion ist in der Regel kapital- und forschungsintensiv und die Markteintrittsbarrieren sind hoch. 

Zum Downstream-Segment zählen die Nutzung der Hardware aus dem Upstream-Bereich und das Bereitstellen von datenbasierten Dienstleistungen: Etwa Hochgeschwindigkeitsinternet in abgelegenen Regionen, Anwendungen in der Logistik oder die Erdbeobachtung. Letztere wird in der Wissenschaft, der Meteorologie und zunehmend auch von privaten Unternehmen genutzt. Satellitenbilder und Weltraumdaten schaffen neue Möglichkeiten für viele Branchen, die bislang keinen Bezug zur Raumfahrt hatten. Im Downstream-Bereich bestehen deutlich tiefere Markteintrittshürden, weil die Kosten tiefer und die Dienstleistungen einfacher skalierbar sind.

 

New Space etabliert sich auch in der Schweiz

Die Schweizer Raumfahrtindustrie mischt mit rund 130 Firmen im New Space mit. Insgesamt arbeiten in der Schweiz etwa 1000 hochspezialisierte Fachkräfte in der Raumfahrt. Dazu kommen weitere rund 2000 Personen in den Zulieferindustrien. Weltweit gesehen besetzt die Schweiz damit quantitativ zwar eine Nische, wird aber für ihre Qualität geschätzt. 

Seit Beginn der europäischen Raumfahrt liefert die Schweiz Material, Bauteile und Technologie für Raumfahrtprojekte. Sie hat einen ausgezeichneten Ruf und ist für ihre hochwertigen Komponenten im im Bereich der Zeitmessung oder der Bordelektronik bekannt. So steckt beispielsweise in jedem europäischen Satelliten Schweizer Technologie und auch die Raketenspitzen für die europäischen Ariane-Raketen stammen aus der Schweiz. Zu den traditionellen Upstream-Unternehmen gehören Beyond Gravity, APCO oder Maxon. 

 

Anwendungen für fast alle Branchen

Neben diesen etablierten grösseren Playern haben in den letzten Jahren immer mehr Start-ups den Weltraum für sich entdeckt. Die Neugründungen konzentrierten sich vor allem um die ETH Zürich und die EPFL Lausanne. Häufig fokussieren sie auf nachgelagerte Bereiche der Wertschöpfungskette, wie IT- oder Softwareentwicklung, oder auf die Generierung von Daten.

Branchenverteilung

Branchenverteilung. Quelle: Raiffeisen Economic Research

 

Mit den Weltraumdaten der Zürcher Firma Exo-Labs lassen sich zum Beispiel Schneeverhältnisse, Waldentwicklung und Landnutzung analysieren. Astrocast, ein Spin-off der EPFL Lausanne, hat bereits 20 eigene Satelliten gestartet und plant den Aufbau von Kommunikationsnetzwerken für Unternehmen.

Ein wachsender Geschäftsbereich ist die «In-Space»-Economy: Damit sind wirtschaftliche Aktivitäten gemeint, die direkt im Weltraum stattfinden. Zum Beispiel hat das Schweizer Unternehmen Clearspace zum Ziel, ausgediente Satelliten aus dem Erdorbit zu entfernen. Und das schweizerisch-israelische Biotechnologie-Unternehmen Spacepharma führt in der Schwerelosigkeit wissenschaftliche Experimente für die Pharmaindustrie durch. 

 

Finanzierung (noch) stark staatlich

Finanziert wird New Space in der Schweiz nach wie vor hauptsächlich vom Staat. Zwischen 2016 und 2024 flossen fast 1,6 Milliarden Schweizer Franken an öffentlichen Mitteln. Dem stehen nur gerade 600 Millionen an privaten Geldern gegenüber. Das sorgt zwar für Stabilität und stärkt den Forschungs- und Innovationsplatz Schweiz, macht die Unternehmen aber von der öffentlichen Hand abhängig und erhöht die Markteintrittsbarrieren.

Öffentliche und private Mittel in Millionen CHF, 2016-2024

Öffentliche und private Mittel in Millionen CHF, 2016-2024. Quelle: ESA, Space Capital, Raiffeisen Economic Research

 

Abhilfe verspricht das Business Incubator Centre der europäischen Weltraumorganisation ESA und der ETH Zürich. Es finanziert Start-ups aus der Raumfahrt oder angrenzenden Bereichen mit dem Ziel, nach der Anschubfinanzierung Drittmittel aus der Privatwirtschaft zu akquirieren. Seit der Gründung 2016 haben davon 76 Start-ups profitiert. Damit die Schweiz ihre gute Ausgangslage nutzen und noch stärker im Weltraum mitmischen kann, braucht es künftig aber noch viel mehr privates Kapital.

 

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