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Überraschung nach dem zweiten Wahlgang in Frankreich: Nicht das Rassemblement National geht als Wahlsiegerin hervor, sondern das Linksbündnis Nouveau Front Populaire. Eine Regierungsbildung wird schwierig und Frankreich stehen instabile Zeiten bevor.

Matthias Geissbühler

Matthias Geissbühler

Chief Investment Officer (CIO), Raiffeisen Schweiz

Überraschender Wahlausgang in Frankreich

Nach der deutlichen Niederlage bei den Europawahlen wollte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit den Neuwahlen in Frankreich «Klarheit» schaffen. Eingetreten ist das Gegenteil: Keines der drei Lager hat nach dem zweiten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreicht. Und da die drei politischen Blöcke untereinander stark zerstritten sind, wird die Regierungsbildung schwierig werden.

Nachdem in der ersten Runde der Parlamentswahl vor einer Woche das rechte Rassemblement National (RN) noch deutlich vorne gelegen hatte, waren der Partei von Marine Le Pen gute Chancen eingeräumt worden, auch in der zweiten Runde zu triumphieren. Das ist nicht eingetreten, stattdessen wird das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) neu die stärkste Kraft und dürfte zwischen 177 und 192 der Sitze in der Nationalversammlung erhalten. Dahinter folgt die Mitte-Partei von Emmanuel Macron und erst an dritter Stelle das RN. Insgesamt umfasst die französische Nationalversammlung 577 Sitze. Das absolute Mehr liegt damit bei 289 Sitzen. Dieses wird von sämtlichen Parteien deutlich verfehlt.

Wie es politisch nun weiter geht, ist offen. Offen ist auch, wer neuer Regierungschef wird. Das links-grüne Wahlbündnis konnte sich bislang nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Der frühere Parteichef der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon, erhob zwar noch am Wahlabend Anspruch auf die Regierungsbildung. Gleichzeitig strich er heraus, dass er nicht beabsichtige, mit der Partei von Emmanuel Macron zusammenzuarbeiten. Frankreich drohen damit instabile Zeiten.

Nicht nur politisch, sondern auch für die Wirtschaft und die Finanzmärkte ist der Wahlausgang brisant. Das Budgetdefizit beläuft sich in Frankreich derzeit auf über 5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und dürfte unter einer Linksregierung weiter zunehmen. Das Bündnis will die Rentenreform von Macron rückgängig machen und zudem die Unternehmenssteuern sowie die Steuern für reichere Personen deutlich erhöhen. Damit droht Frankreich eine weitere Desindustrialisierung sowie die Abwanderung von Steuersubstrat. Zudem dürfte die Staatsverschuldung ungebremst zunehmen.

In einer ersten Marktreaktion auf den Wahlausgang notierte der Euro schwächer. Die Einheitswährung büsste gegenüber dem Schweizer Franken 0.25% an Wert ein. Wir rechnen unverändert mit einer weiteren Abschwächung des Euro gegenüber dem Franken und sehen das Währungspaar auf 12-Monats-Sicht bei 0.95. Auch die Renditen der französischen Staatsanleihen zogen an. Die Aussicht auf weiterwachsende Budgetdefizite sowie eine entsprechende Erhöhung der Staatsverschuldung dürfte den Druck auf die Zinsen hochhalten. Aufgrund der politischen Volatilität und der zunehmenden Polarisierung in Europa sowie den strukturellen wirtschaftlichen Problemen bleiben wir bei europäischen Aktien anlagetaktisch untergewichtet.

Der Wahlausgang in Frankreich lässt die Zinsaufschläge steigen

Zinsdifferenz 10-jährige Staatsanleihen Frankreich vs. Deutschland

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Während Deutschland für ihre 10-jährigen Staatsanleihen derzeit knapp 2.6% Zins bezahlt, ist bei den französischen Pendants ein Zinsaufschlag von fast 70 Basispunkten fällig. Dies spiegelt die schlechtere Finanzlage in Frankreich, welche sich nach dem Wahlausgang weiter zuspitzen dürfte.

Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.