New Space ist viel mehr als Raketenbau: ETH-Professor und Ex-Nasa-Forschungsleiter Thomas Zurbuchen nennt drei Geschäftsfelder, die für die Schweizer Wirtschaft interessant sind.
Kleinsatelliten bauen
«Oft wird New Space sofort mit dem Bau von Raketen verbunden», sagt Thomas Zurbuchen, Professor für Weltraumwissenschaft und -technologie an der ETH Zürich. «Dabei ist das für die Schweiz gar nicht interessant, denn wir haben kein Meer, über dem wir die Raketen starten lassen könnten.» Raketenstarts in dicht besiedelten Gebieten seien viel zu gefährlich, insbesondere wegen der Absturzgefahr. «Für die Schweiz viel interessanter ist der Bau von Kleinsatelliten, zum Beispiel von Systemen, die direkt mit Telefonen kommunizieren können», so der Ex-Forschungsleiter der Nasa. Eine mögliche Anwendung davon sind Notrufe in den Bergen: Verunfallt eine Person und hat keinen Handyempfang, kann sie sich mit einem Satelliten verbinden und die Bergrettung rufen.
«Die Schweiz hat nicht nur hervorragende Universitäten und technische Hochschulen, sondern auch die Schweizer Berufslehre.»
Thomas Zurbuchen, ex Wissenschaftsdirektor der NASA (2016-2022), heute Professor an ETHZ
Daten bereitstellen
Als zweites interessantes Geschäftsfeld für die Schweiz nennt Zurbuchen die Erdbeobachtung. «Unternehmen können verschiedenste Daten bereitstellen, zum Beispiel Wetterinformationen oder Klimadaten, die zur Bekämpfung der Erderwärmung dienen.» Eine weitere Option sind Standortdaten von Schiffen, die aus dem All auch von der Schweiz erfasst werden können. «Damit kann etwa in Zusammenarbeit mit der Polizei Schmuggel verhindert werden. Schmuggler schalten oft ihr Radar aus – aus dem All sind sie aber sichtbar.»
Was ist mit New Space gemeint?
Weltraumschrott einsammeln
Das EPFL-Spin-off Clear Space wird 2025 seine erste Mission zur Entfernung von Satellitenschrott starten. Unterstützt wird das Start-up von der europäischen Weltraumorganisation ESA – mit 93 Millionen Franken. «Auch andere Unternehmen denken darüber nach, in dieses Geschäft einzusteigen», weiss Zurbuchen. «Das Unterfangen ist allerdings höchst schwierig: Um ein Trümmerteil einzufangen, muss ich genau verstehen, wie es sich dreht.» Das Problem: Rotationszustände ändern sich im All. «Das Trümmerteil kann sich also irgendwie drehen.»
Auf in den Orbit: Thomas Zurbuchen, Jahrgang 1968, wuchs am Thunersee auf und studierte in Bern Physik und Mathematik. Ende der 90er provierte er in experimenteller Astrophysik und anschliessend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die University of Michigan. 2016 wurde er Forschungsleiter der Weltraumbehörde Nasa. 2023 kehrte er in die Schweiz zurück und übernahm die Leitung des Space Centers der ETH Zürich. Seine aktuelle Mission: Die Zusammenarbeit zwischen Akademie, Industrie und Start-ups fördern.