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Sinkende Zinsen – Was die Zinswende für Anleger bedeutet

Die globale Zinswende nimmt Fahrt auf. Sinkende Zinsen wirken sich mit Verzögerung positiv auf die Wirtschaft aus. In der Regel gehören zunächst Anleihen, Gold und Immobilienanlagen zu den Gewinnern.

Schiffssteuerrad

Ausgabe 27.09.2024

Die Zinswende nimmt Fahrt auf

Die Leitzinsen befinden sich weltweit im Sinkflug. Am 18. September hat mit der US-Fed eine der letzten grossen Notenbanken ihre Zinswende eingeläutet. Nachdem die Leitzinsen während 14 Monaten auf unverändert hohem Niveau verharrten, gab Jerome Powell eine überraschend starke Reduktion um 50 Basispunkte bekannt. Zuvor hatten bereits die Bank of England (BoE), die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Schweizerische Nationalbank (SNB) an der Zinsschraube gedreht.

 

Entwicklung der Leitzinsen in der Schweiz, der Eurozone und den USA 

Entwicklung der Leitzinsen in der Schweiz, der Eurozone und den USA

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Aufgrund der schwächeren Konjunkturdynamik ist die Teuerung in den USA in die Nähe des Notenbankziels von 2% gerückt. Im August lag sie bei 2.5%. Bei einem nominellen Leitzins von neu 5.0% beträgt der kurzfristige Realzins aber immer noch 2.5%, was weiterhin einer restriktiven Geldpolitik gleichkommt. Die US-Notenbank dürfte deshalb ihre Leitzinsen schrittweise weiter reduzieren. Doch was bedeuten sinkende Zinsen für die Wirtschaft und die Anleger?

Grundsätzlich kurbeln tiefe Zinsen die Wirtschaft und den Konsum an. Kredite und Hypotheken werden günstiger und die Investitionsbereitschaft steigt. Allerdings wirken Zinsveränderungen in der Regel mit einer gewissen Verzögerung. Hinzu kommt, dass die Notenbanken ihre Leitzinsen oft erst dann senken, wenn sich die Wirtschaftsdynamik bereits deutlich abgeschwächt hat. In der Vergangenheit kam es deshalb oft vor, dass die Wirtschaft nach der Zinswende sogar in eine Rezession abrutschte.

Vorsicht vor der zweiten Welle – Die Notenbanken wollen ein 1970er-Jahre-Szenario verhindern

Das aktuelle Umfeld macht es den Notenbanken nicht einfach. Die Inflation hatte 2022 ein Niveau erreicht, welches letztmals in den 1970er-Jahren beobachtet werden konnte. Und obwohl die Teuerungsraten weltweit in den vergangenen Monaten deutlich gesunken sind, liegt die Kerninflation vielerorts noch immer über den Zielwerten der Notenbanken. Werden also die Zinsen zu rasch gesenkt, droht ein Wiederaufflackern der Inflation. Zudem gibt es gute Gründe, warum die zukünftige Teuerung strukturell höher ausfallen könnte als in der Vergangenheit. Immense Investitionen in die Energiewende, Handelskonflikte und Deglobalisierungstendenzen, unvorteilhafte demografische Entwicklungen sowie ein militärisches Wettrüsten wirken allesamt inflationär. Der Grat, auf dem sich die Notenbanken derzeit bewegen, ist entsprechend schmal. Auf jeden Fall gilt es, eine Wiederholung der 1970er-Jahre zu verhindern. Das zu frühe Lockern der Zinsschraube hat damals zu einer zweiten Inflationswelle geführt.

 

Inflationsentwicklung in den USA

Inflationsentwicklung in den USA

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Sinkende Zinsen haben eine weitere Kehrseite, die insbesondere Sparerinnen und Sparer zu spüren bekommen werden. Nach einem kurzen Anstieg sinken die Sparzinsen in der Schweiz bereits wieder und vermögen die Inflation nicht mehr zu kompensieren. Dadurch rutschen die Realzinsen in den negativen Bereich. Das bedeutet, dass die Kaufkraft der Ersparnisse sinkt. Somit rückt das Thema Anlegen wieder verstärkt in den Vordergrund. Intuitiv wird davon ausgegangen, dass Zinssenkungen für sämtliche Anlageklassen gleichermassen Rückenwind bringen. Dies hat unter anderem mit der Bewertung von Anlagen zu tun. Dabei werden zukünftig erwartete Cashflows oder Gewinne mit einem Zinssatz abdiskontiert. Ein tieferer Diskontierungssatz bedeutet ceteris paribus eine höhere Bewertung.

Performance der Anlageklassen ein Jahr nach Beginn des jeweiligen Zinssenkungszyklus

So viel zur Theorie. Der Blick in die Vergangenheit zeigt ein differenzierteres Bild. Seit der Jahrtausendwende ist es in den USA bisher zu drei längeren Zinssenkungsphasen gekommen: Am 3. Januar 2001, am 18. September 2007 sowie am 31. Juli 2019 hat die US-Notenbank jeweils eine Zinswende gestartet. Ein Jahr später notierten Gold, Obligationen sowie Schweizer Immobilienfonds stets höher. Anders verhielt sich der Aktienmarkt. Zwölf Monate nach Beginn des jeweiligen Zinssenkungszyklus wiesen globale Aktien in Schweizer Franken gerechnet stets eine negative Rendite auf.

 

Jahresperformance der verschiedenen Anlageklassen

Jahresperformance der verschiedenen Anlageklassen: Obligationen global, währungsgesichert – Aktien global (MSCI World Index), in CHF – Gold, in CHF – Immobilien Schweiz (SWIIT)

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Selbstverständlich war jeder Zyklus von einem unterschiedlichen Umfeld geprägt und die letzten drei Zinssenkungsphasen fielen mit dem Platzen der Internet-Blase, der Finanz- und Eurokrise sowie der Corona-Pandemie zusammen. Nichtsdestotrotz sollten Anlegerinnen und Anleger nicht allein aufgrund der Zinswende ihre Portfoliorisiken erhöhen. Im Gegenteil: Eine breite Diversifikation bleibt der Schlüssel zum Anlageerfolg. Und wer die Vergangenheit als Massstab nimmt, setzt in den kommenden 12 Monaten verstärkt auf solide Investment-Grade-Anleihen, Gold und Schweizer Immobilienfonds. Diese Ausrichtung entspricht exakt unserer aktuellen Anlagetaktik.

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Nun hat es auch die amerikanische Federal Reserve getan. Mit der ersten Leitzinssenkung der US-Notenbank seit über 4 Jahren nimmt die Zinswende Fahrt auf. Dies ist auch nötig, denn die globale Wirtschaftsdynamik hat sich zuletzt deutlich abgeschwächt. Selbst eine (technische) Rezession ist in den USA im kommenden Jahr weiterhin nicht auszuschliessen. Sollte es dazu kommen, werden die Aktienmärkte kurzfristig unter Druck geraten. Interessant ist der Blick zurück. Seit der Jahrtausendwende haben Aktien im Nachgang zu Zinssenkungen am schwächsten abgeschnitten und teils gar deutlich an Wert eingebüsst. Natürlich ist das Umfeld und die Ausgangslage bei jedem Zinssenkungszyklus anders. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, legt seinen Fokus in den kommenden Monaten auf Gold, solide Investment-Grade-Anleihen und Schweizer Immobilienfonds. Diese Anlageklassen notierten 12 Monate nach der ersten Zinssenkung stets im Plus.

Matthias Geissbühler Portrait

Matthias Geissbühler

Chief Investment Officer Raiffeisen Schweiz

Seit Januar 2019 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz für die Anlagepolitik verantwortlich. Zusammen mit seinem Team analysiert er kontinuierlich die weltweiten Geschehnisse an den Finanzmärkten und entwickelt die Anlagestrategie der Bank.

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