Frauen und Männer ticken anders – das gilt auch bei den Finanzen

Zahlreiche Studien zeigen: Männer legen ihre Ersparnisse häufiger in Wertschriften an, während Frauen vermeintlich sichere Kontolösungen bevorzugen. Ein klarer Fall von geschlechtsspezifischem Risikoverhalten? Nicht nur. Wenn es um die persönlichen Finanzen geht, beeinflusst uns ein weiterer entscheidender Faktor: das Wissen.

Frauen wollen Sicherheit, Männer möglichst hohe Rendite 

 

Männer möchten eine möglichst hohe Rendite erzielen. Das geht aus dem Raiffeisen Vorsorgebarometer 2021 hervor. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen 40 Prozent der befragten Männer auf Wertschriftenlösungen in der Altersvorsorge. Worauf sie dabei achten: geringe Kosten und steuerliche Vorteile.

Dagegen investiert nur knapp jede dritte Frau ihre Säule-3a-Gelder in Vorsorgefonds. Anlegerinnen sind gegenüber Anlegern nicht nur in der Unterzahl, sie verfolgen auch andere Ziele: Sicherheit und Nachhaltigkeit sind ihnen wichtiger als Gewinnmaximierung.

Auch bei anderen Vorsorgethemen verhalten sich Frauen vorsichtiger als Männer: So sind sie weniger bereit, Pensionskassengelder für Wohneigentum einzusetzen; bei der Krankenkasse sichern sie sich gerne mit einer Zusatzversicherung ab; und Ihre Vorsicht macht Frauen auch zu erfolgreichen Sparerinnen: Trotz tieferem Einkommen schaffen es viele Frauen, mehr Geld auf die Seite zu legen als Männer.

40% der Männer und nur 31% der Frauen setzen auf Wertschriftenlösungen in der Altersvorsorge.

Quelle: Vorsorgebarometer 2021

Für 84% der Frauen ist eine hohe Rendite nebensächlich.

Quelle: Vorsorgebarometer 2021

Jede zweite Frau will sich mit einer Krankenkassenzusatzversicherung absichern – bei den Männern ist es nur jeder Dritte.

Quelle: Vorsorgebarometer 2021

58% der Männer und nur 49% der Frauen können sich vorstellen, ihre Vorsorgegelder für Wohneigentum einzusetzen.

Quelle: Vorsorgebarometer 2021

Unwissend grosse Risiken eingehen

 

Doch die Assoziation von Sparen und Sicherheit ist ein Trugschluss. Was insbesondere viele Frauen nicht wissen: Ersparnisse auf dem unverzinsten Sparkonto liegen zu lassen, kann langfristig das grösste Risiko sein. Bereits eine Teuerung von jährlich zwei Prozent führt dazu, dass 100'000 Franken unverzinstes Kontoguthaben nach 40 Jahren nicht einmal mehr halb so viel wert sind. 

 

Wer sein Geld unverzinst liegen lässt, verliert langfristig an Kaufkraft

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz Investment & Vorsorge Center

 

Fehlendes Finanzwissen führt so ungewollt zu risikoreichem Verhalten. Deutlich mehr Frauen als Männer haben in dieser Disziplin Nachholbedarf; das geht aus verschiedenen Studien hervor.

Wissen als Schlüssel zum Erfolg

 

Dabei ist solides Finanzwissen unerlässlich, um richtige Entscheidungen zu treffen. Wer die Grundlagen des Anlegens versteht, kann Chancen und Gefahren richtig einordnen und die Gelder entsprechend seinem individuellen Risikoprofil anlegen.

Das gleiche gilt für die Altersvorsorge: Wer Risiken richtig kalkuliert, hat auch im dritten Lebensabschnitt ausreichend finanzielle Mittel für Reisen und andere Lieblingsbeschäftigungen. Doch nur wenige wissen, wie hoch ihr Altersguthaben in der Pensionskasse ist und mit welcher Rente sie später einmal rechnen können. Auch hier setzen sich Männer stärker mit der Thematik auseinander als Frauen: Sie studieren den Pensionskassenausweis nicht erst kurz vor der Pensionierung und viele von ihnen berücksichtigen bei einem Stellenwechsel auch die Pensionskassenleistungen des neuen Arbeitgebers.

Einschätzung unserer Expertin: 5 Fragen an Andrea Klein

Warum beschäftigen sich Frauen weniger mit ihren Finanzen als Männer?

Andrea Klein: Finanzielle Themen sind in unserer Gesellschaft trotz zunehmender Gleichberechtigung immer noch stark männlich besetzt. Es fehlen weibliche Vorbilder, die Frauen in ihrer Sprache auf Augenhöhe ansprechen. Finanzjargon und ein Dschungel an oft unverständlichen Finanzprodukten schrecken viele Frauen ab. Ausserdem sind sich viele Frauen der Wichtigkeit der eigenen finanziellen Vorsorge gar nicht bewusst. Dabei wäre es für sie besonders wichtig, sich um ihre Finanzen zu kümmern. Tatsache ist: Frauen sind mehr Risiken ausgesetzt als Männer!

Welche Risiken sind das?

Da wäre einmal der so genannte Gender-Pay-Gap: Frauen verdienen in der Schweiz im Durchschnitt rund 20% weniger als Männer. Ein weiteres Risiko ist Teilzeitarbeit und Babypause: Mehr als die Hälfte der Mütter arbeitet Teilzeit oder gar nicht, während lediglich knapp ein Fünftel der Männer das Arbeitspensum zu Gunsten der Familie reduziert. Selbst die Ehe ist nicht mehr ein sicherer Hafen: In der Schweiz werden zwei von fünf Ehen geschieden. Nach den jüngsten Urteilen des Bundesgerichts müssen Frauen nach einer Scheidung neu selbst für ihren Unterhalt aufkommen. Nicht zu unterschätzen ist schliesslich das Risiko der Langlebigkeit: Frauen leben statistisch vier Jahre länger als Männer; und sie gehen heute ein Jahr früher in Pension. Das sind fünf Jahre mehr, für die Mittel für den Lebensunterhalt bereitstehen müssen.

Müssen Frauen also anders vorsorgen als Männer?

Definitiv. Für sie ist es besonders wichtig, dass sie Ersparnisse, die sie erst im Alter brauchen, gewinnbringend anlegen. Das heisst: Eine Anlagestrategie mit höherem Aktienanteil wählen und regelmässige Einzahlungen tätigen. Natürlich muss dabei das individuelle Risikoprofil berücksichtigt werden.

Sind Anlegerinnen erfolgreicher als Anleger?

Legen Frauen an, so stehen für sie die Aspekte Nachhaltigkeit und Sicherheit im Zentrum. Dass sie sich in der Regel weniger für die Entwicklung an den Finanzmärkten interessieren, kann sogar hilfreich sein: Sie lassen sich vom Auf und Ab an den Börsen weniger aus der Ruhe bringen und verfolgen ihre Anlagestrategie disziplinierter als Männer.

Wie soll man vorgehen, wenn man sich bisher nicht mit den eigenen Finanzen auseinandergesetzt hat?

Zuerst sollte man sich einen Überblick über die persönliche finanzielle Situation verschaffen: Wieviel Vermögen habe ich? Welche finanziellen Mittel benötige ich kurz-, mittel- und langfristig? Wie bin ich bei der Pensionierung aufgestellt? Was würde eine Scheidung, ein Teilzeitpensum oder Invalidität finanziell für mich bedeuten? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, findet man online viele Angebote und Tools, die unterstützen können. Wer Respekt hat vor der Komplexität, setzt sich ganz einfach mit seiner Beraterin oder seinem Berater zusammen und macht gemeinsam eine Auslegeordnung.

Vorsorgebarometer – So sorgt die Schweiz vor

Portrait Andrea Klein

Andrea Klein

Vorsorgeexpertin Raiffeisen Schweiz

Andrea Klein ist Vorsorgeexpertin und heute bei Raiffeisen Schweiz verantwortlich für das Fachzentrum Finanzplanung. Sie verfügt über mehr als zwanzig Jahre Beratungserfahrung in den Bereichen Anlage- und Vermögensberatung, Vorsorge sowie Pensionsplanung. Dabei steht für sie die ganzheitliche Beratung in den verschiedenen Lebensphasen im Mittelpunkt.