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Zölle, Zölle, Zölle – Die USA verabschieden sich vom Freihandel

Donald Trump zieht die Zollschraube an. Damit riskiert er einen Wirtschaftsabschwung sowie einen Anstieg der Inflation. An den Finanzmärkten werden die kommenden Monate volatil bleiben.

Zollschranke

Ausgabe 28.03.2025

Trumps Zollpolitik sorgt für Verunsicherung

«Zölle ist das schönste Wort im Wörterbuch.» Dieses Zitat stammt aus einer Wahlkampfrede von Donald Trump. Und kaum ins Weisse Haus eingezogen, macht er ernst. Seit Februar folgt eine Zollankündigung auf die nächste. Nach Mexiko, Kanada und China hat er nun auch Europa im Visier. Ab Anfang April sollen zudem flächendeckende sogenannte reziproke Zölle implementiert werden. Damit sorgt der neue Präsident weltweit für Verunsicherung. Entsprechend ist auch die Volatilität an den Aktienmärkten deutlich angestiegen.

 

Entwicklung des Bloomberg Economics Global Trade Policy Uncertainty Index

Entwicklung des Bloomberg Economics Global Trade Policy Uncertainty Index

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Dabei ignoriert Donald Trump die grosse Bedeutung des Freihandels für die globale Wirtschaftsentwicklung. Bereits im frühen 19. Jahrhundert skizzierte der britische Ökonom David Ricardo in seiner Theorie der komparativen Vorteile die Vorzüge des Warenhandels. Sein Buch «On the Principles of Political Economy and Taxation» von 1817 hat die Wirtschaftswissenschaften nachhaltig beeinflusst. Darin argumentierte Ricardo, dass sich Länder auf die Produktion von Gütern spezialisieren sollten, bei denen sie einen komparativen Vorteil haben, d.h. Güter, die sie relativ effizienter produzieren können als andere Länder. Komparative Vorteile können aufgrund der Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen, Kapital, klimatischen Bedingungen oder unterschiedlichen Bildungsniveaus entstehen. Allein aufgrund des Klimas besitzt Spanien einen komparativen Vorteil bei der Herstellung von Olivenöl und Schweden einen solchen beim Anbau von Kiefernholz. Wenn sich jedes Land auf die Produktion derjenigen Güter fokussiert, die es kostengünstig und effizient herstellen kann und anschliessend ein freier Warenaustausch entsteht, erhöht dies den Gesamtnutzen für alle beteiligten Länder. Es entsteht also eine klassische Win-win-Situation.

Die USA verabschieden sich vom Freihandel – bereits implementierte sowie geplante Zölle

Was den freien Warenverkehr betrifft, ist die Wirtschaftsgeschichte geprägt von unterschiedlichen Phasen. Die Weltordnung der Nachkriegszeit, die von den USA wesentlich geprägt wurde, basierte auf zwei wichtigen Lehren aus den beiden Weltkriegen. Eine davon war, dass die Nationalsozialisten in Deutschland nur deshalb aufsteigen konnte, weil die USA 1930 einseitig die «Smoot-Hawley»-Zölle verhängten, was den globalen Handel um 66% einbrechen liess und der Weltwirtschaft schweren Schaden zufügte. Eine ernsthafte Reflexion über dieses Thema veranlasste die USA nach dem Krieg zu einer Kehrtwende und zur Einrichtung des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) mit dem Ziel, die Ausbreitung des freien Handels weltweit zu fördern.

 

Durchschnittlicher US-Zollsatz und Auswirkung geplanter zusätzlicher Sonderabgaben

Durchschnittlicher US-Zollsatz und Auswirkung geplanter zusätzlicher Sonderabgaben

Quelle: LSEG, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Bis 1980 funktionierte dieses System gut, weil die Handelsungleichgewichte nicht übermässig zunahmen. Das war möglich, weil die Währungen der Handelsdefizitländer natürlich abwerteten, während die der Handelsüberschussländer an Wert gewannen. Im Jahr 1980 begannen jedoch führende Volkswirtschaften (unter der Leitung der USA), Kapitalströme zu liberalisieren, was im Rahmen des GATT nicht vorgesehen war. Zusammen mit dem starken Wachstum Chinas gerieten die Handelsbilanzen immer mehr in Schieflage. Insbesondere in den USA nahmen die Handelsbilanzdefizite laufend zu. Aus dieser Tatsache schliesst Donald Trump, dass die Handelspartner übermässig und zu Lasten der USA vom freien Handel profitieren. In der Einführung und Erhöhung von Zöllen sieht er einen Weg zur Beseitigung dieses «Ungleichgewichts». Dass dabei die Konsumentinnen und Konsumenten in seinem eigenen Land in Form von steigenden Preisen die Zeche bezahlen, scheint er auszublenden.

Was sind die Konsequenzen der aktuellen US-Handelspolitik und Zölle für die Wirtschaft und die Finanzmärkte? Je länger die Unsicherheiten andauern, desto stärker wird sich die Konjunktur abkühlen. Unternehmen werden in diesem Umfeld kaum grössere Investitionen tätigen bzw. die geplanten Projekte vorübergehend auf Eis legen. Ähnliches gilt für Konsumentinnen und Konsumenten. Die Aussicht auf zollbedingt steigende Preise wird das Konsumverhalten negativ beeinflussen. Es ist deshalb wenig erstaunlich, dass jüngst die Konjunkturprognosen nach unten revidiert wurden. Auch die US-Notenbank Fed hat anlässlich ihrer Sitzung von Ende März die BIP-Prognosen von 2.1% auf 1.7% reduziert. Gleichzeitig wurden die Inflationserwartungen von 2.5% auf 2.8% erhöht. Im schlimmsten Fall droht den USA damit eine Stagflation.

Die US-Börsen geraten ins Hintertreffen – Europäische und Schweizer Aktien als Gewinner

Für die Finanzmärkte bedeutet dies – wie wir bereits in unserem Jahresausblick 2025 vorausgesagt haben – eine erhöhte Volatilität. Insbesondere die US-Aktienmärkte sind schwach ins laufende Jahr gestartet. Von «Make America Great Again» (MAGA) fehlt bisher jede Spur.

 

Performance ausgewählter Aktienmärkte seit Anfang Jahr, in CHF

Performance ausgewählter Aktienmärkte seit Anfang Jahr, in CHF

Quelle: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

In diesem Umfeld hat sich der defensive Schweizer Aktienmarkt als sicherer Hafen erwiesen und auch Gold konnte von den Unsicherheiten profitieren. Das Edelmetall hat Mitte März gar die Marke von 3’000 US-Dollar pro Unze überschritten und damit ein neues Allzeithoch erreicht. Wenig tangiert von den Zoll-Querelen ist zudem der Schweizer Immobilienmarkt. Dieser profitiert von der anhaltend hohen Nachfrage sowie den gesunkenen Hypothekarzinsen. Mit einer breiten Diversifikation sowie einer aktiven Anlagetaktik lässt sich aus der Unberechenbarkeit von Trump auch Profit schlagen. Eine erhöhte Volatilität bedeutet nicht nur Risiken, sondern eröffnet auch Chancen. Anlagetaktisch halten wir aber an unserer leicht defensiven Positionierung fest.

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Zölle seien für Donald Trump bloss ein Druckmittel, um «Deals» abzuschliessen und somit sei alles halb so schlimm. Diese Meinung ist allgegenwärtig. Damit wird indirekt suggeriert, dass Zölle schlecht und Deals gut sind. So einfach ist es allerdings nicht. Erstens sind die Abkommen, die Trump anstrebt, keine Win-win-Deals, sondern bestenfalls Win-lose-Deals. Letztlich geht es darum, die Forderungen knallhart durchzusetzen. Länder wie Mexiko, die stark von den USA abhängig sind, werden diese Kröte allenfalls schlucken. Im Falle von Europa oder China dürfte Trump aber auf Granit beissen und Gegenzölle sind wahrscheinlich. Hinzu kommt, dass Trump Zölle als Einnahmequelle für den Staat sieht. Mit dem Ziel, das rekordhohe Budgetdefizit zu reduzieren, dürften viele Zölle permanent bleiben. Für Anlegerinnen und Anleger bedeutet dies erhöhte Schwankungen an den Börsen. Um diese zu glätten, gehören Anlageklassen ins Depot, die von Zöllen nicht direkt betroffen sind oder gar von den Unsicherheiten profitieren können. Deshalb sind Schweizer Immobilienfonds sowie Gold weiterhin wichtige Bausteine in einem diversifizierten Portfolio.

Matthias Geissbühler Portrait

Matthias Geissbühler

Chief Investment Officer Raiffeisen Schweiz

Seit Januar 2019 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz für die Anlagepolitik verantwortlich. Zusammen mit seinem Team analysiert er kontinuierlich die weltweiten Geschehnisse an den Finanzmärkten und entwickelt die Anlagestrategie der Bank.