Weniger stressen dank guten Prozessen


Schlechte Prozesse schlagen auf die Rendite von KMU und auf die Stimmung der Mitarbeitenden. RUZ-Geschäftsführer Spiros Doukas und Prozessexperte Steven Loepfe erklären im Interview, wann sofortiges Handeln angesagt ist, bei welchen Prozessen KMU zuerst ansetzen sollten und welche Vorteile optimierte Prozesse konkret bringen.

Woran erkennen KMU, dass es in ihren Prozessen harzt?

Spiros Doukas: Gibt es Störungen in den alltäglichen Betriebsabläufen, spüren das zuallererst die Mitarbeitenden: Sie sind unsicher, wie sie ihre Arbeit erledigen sollen und kommen nicht voran. Fehler passieren und Leerläufe entstehen. Beides schlägt auf die Rentabilität. Aber auch vermehrte Kunden-Unzufriedenheit ist ein klares Anzeichen für Prozess-Probleme. Spätestens dann ist sofortiges Handeln angesagt.

 

Steven Loepfe: Oft weisen auch Äusserungen aus dem Team auf Schwierigkeiten in Prozessen hin. Bei Ausdrücken wie «Durcheinander», «Chaos» oder «nicht im Griff» sollte die Chefin oder der Chef auf jeden Fall hellhörig werden.

Was sind typische Ursachen für solche Frust-Äusserungen?

Spiros Doukas: Oft sind die Prozesse nicht klar definiert und/oder dokumentiert. Ebenso wenig ist formal festgelegt, wer für eine Aufgabe zuständig ist. Das führt womöglich zu Doppelspurigkeiten. Ein anderer Grund für Frust bei den Mitarbeitenden: Sie wissen eigentlich, wie ein Arbeitsvorgang am einfachsten ablaufen würde, aber der Chef mischt sich ständig ein.

 

Steven Loepfe: All das führt zu Stress. Gut aufgesetzte Prozesse hingegen geben Sicherheit und Stabilität: Jede und jeder weiss zu jedem Zeitpunkt, was zu tun ist, und wer dafür verantwortlich ist. Diese Klarheit reduziert wiederum den Abstimmungs- und Kommunikationsaufwand. Neue Freiräume entstehen.

«Wenn es die Kunden merken, ist sofortiges Handeln angesagt.»

Spiros Doukas, Geschäftsführer Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ

Welche Prozesse beschäftigen die Schweizer KMU aktuell am meisten?

Spiros Doukas: Das sind nach wie vor die Lieferkettenprozesse. Zwar haben viele KMU ihre Probleme bei der Beschaffung mittlerweile gelöst. Derzeit beschäftigen sie sich eher damit, wie sie mit den gestiegenen Einkaufskosten umgehen beziehungsweise, wie sie diese an die Kundinnen und Kunden weitergeben sollen. Doch auch Cash Management oder Preissetzung sind letztendlich Prozesse, die sich optimieren lassen.

 

Steven Loepfe: Ebenfalls zentral für sehr viele Schweizer Unternehmen ist der Rekrutierungsprozess. Der Fachkräftemangel ist weiterhin allgegenwärtig. Hier ist es mit einer einmaligen Kampagne nicht getan, sondern es geht darum, nachhaltige Massnahmen zu ergreifen.

 

Spiros Doukas: Wer heute passende Fachkräfte finden will, muss die gängigen Wege verlassen und etwa über Social Media oder persönliche Empfehlungen der Mitarbeitenden agieren.

 

So gelingt Prozessoptimierung - vier Tipps

1. Holen Sie sich eine neutrale Aussenperspektive. Dafür kommen andere Unternehmer mit Erfahrung infrage, aber auch professionelle Prozessmanagerinnen oder thematische Experten. Externe Unterstützung lohnt sich insbesondere dann, wenn der Aufbau interner Expertise zu aufwändig ist.

So gelingt Prozessoptimierung - vier Tipps

2. Definieren Sie klare Ziele und messen Sie diese. Idealweise lassen sich die Ziele quantifizieren. Das erleichtert die Messung und hilft, Abweichungen frühzeitig festzustellen. 

So gelingt Prozessoptimierung - vier Tipps

3. Kommunizieren Sie die Ziele Ihren Mitarbeitenden. Beziehen Sie die Teams mit ein und zeigen Sie auf, wie auch jeder einzelne profitieren kann. 

So gelingt Prozessoptimierung - vier Tipps

4. Informieren Sie Ihr Team über die erreichten Verbesserungen, bedanken Sie sich für den Einsatz und feiern Sie Erfolge gemeinsam.

Doch alle Prozesse lassen sich nicht gleichzeitig optimieren. Wo also beginnen?

Spiros Doukas: Bei den Kernprozessen, die einen unmittelbaren Kundennutzen generieren, beispielsweise beim Vertrieb. Kommen Lieferungen nicht oder zu spät an, verärgert dies die Kundinnen und Kunden und gefährdet künftige Umsätze. Aber auch Prozesse in den Bereichen Markenführung oder Leistungsinnovation haben Priorität. Schliesslich kreieren KMU damit ihr Alleinstellungsmerkmal und ihren Mehrwert am Markt.

 

Steven Loepfe: Grundsätzlich können die Unternehmen sowohl auf der Kosten- wie auch auf der Ertragsseite ansetzen. Auf Kostenseite gibt es unzählige Möglichkeiten, die Prozess-Effizienz zu steigern. Zum Beispiel, indem KMU Wartezeiten und Schnittstellen reduzieren, den Informationsfluss optimieren oder teure Mitarbeitende nicht für administrative Arbeiten einsetzen. Auf Ertragsseite ist die Wirkung aber oft nachhaltiger. Zum Beispiel, wenn ich meinem Team am Freitagnachmittag Zeit gebe, an Produktverbesserungen zu arbeiten. Damit investiere ich einerseits ins Produkt, andererseits aber auch in die Mitarbeitenden – in ihre Eigenverantwortung und Zufriedenheit.

«Gut aufgesetzte Prozesse geben Sicherheit und Stabilität.» 

Steven Loepfe, Unternehmensberater Sales-Prozesse

Ganz konkret: Wie viel Geld können KMU mit guten Prozessen sparen oder mehr verdienen?

Steven Loepfe: Bleiben wir auf der Ertragsseite. Baut ein KMU zum Beispiel fix in seinen Offertprozess ein, dass bei den potenziellen Kundinnen und Kunden nach drei Tagen per E-Mail nachgefasst wird, kann das den Auftragseingang deutlich erhöhen und beschleunigen. Nehmen wir an, bisher wurden wöchentlich im Schnitt zwei Offerten im Auftragswert von 10'000 Franken angenommen, sind es dank dem angepassten Prozess neu vielleicht drei. Um die Umsatzpotenziale markant zu steigern, reichen oft einfache Mittel.

Welche Chefinnen und Chefs braucht es für gute Prozesse?

Steven Loepfe: Führungspersonen, die ihre Kundinnen und Kunden von Natur aus unbedingt zufriedenstellen wollen, haben bereits halb gewonnen. Denn die Motivation «besser werden» steht am Anfang von guten Prozessen.

 

Spiros Doukas: Dicht gefolgt von der Fähigkeit, in die Umsetzung zu kommen. Prozesse allein auf dem Papier nützen nichts – sie müssen implementiert und gelebt werden.

Spiros Doukas, Geschäftsführer RUZ

Spiros Doukas leitet das Raiffeisen Unternehmenszentrum RUZ. In seiner Beratungstätigkeit entwickelt er digitale und kommerzielle Geschäftsstrategien für KMU und begleitet sie anschliessend bei der Umsetzung. Als langjähriger Unternehmer in zahlreichen KMU und Grossunternehmen verfügt er über vertieftes unternehmerisches Know-how und ein breites Netzwerk in der Schweizer Unternehmer-Landschaft. 

Steven Loepfe, Unternehmensberater

Steven Loepfe ist Gründer und Inhaber diverser KMU. Als Berater unterstützt er technische Betriebe bei der Optimierung ihrer Verkaufsprozesse. Zudem ist er Verwaltungsrat in handwerklichen KMU-Betrieben sowie Kommunikationsberater und Buchautor.