Das Thema Nachhaltigkeit wird für Firmen und ihre Stakeholder immer wichtiger – erst recht in der Reisebranche. Dabei dreht sich längst nicht mehr alles um die Umwelt. Karim Twerenbold, VR-Präsident eines weltweit operierenden Reiseunternehmens, sagt im Interview, welche Aspekte ihn sonst noch beschäftigen. Und er erklärt, warum eine klare Nachhaltigkeitsstrategie wichtig ist.
Was motiviert Sie, Ihr Unternehmen zu einem Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu machen?
Die Geburt meiner Tochter vor dreieinhalb Jahren war sicherlich ein springender Punkt für mich. Das mag jetzt abgedroschen klingen, aber ich möchte ihr die Chance geben, in einer möglichst guten Welt aufzuwachsen. So, wie ich dies selbst schon konnte, auch wenn natürlich nie alles perfekt war und ist. Ich bin mir bewusst: Ich selbst werde nicht alle Probleme lösen können. Aber dort, wo ich etwas bewirken kann, will ich aktiv sein und mein Bestes geben. Das treibt mich täglich an. Zum Glück sind alle Personen in meinem Unternehmen mit an Bord beim Erfüllen unserer Nachhaltigkeitsziele – wir alle ziehen an einem Strang.
Wie ist Ihnen das gelungen?
Ganz wichtig war, den Begriff «Nachhaltigkeit» für uns genau zu definieren und den Mitarbeitenden zu kommunizieren. Wir haben das ganz zu Beginn getan. Dadurch wussten alle Beteiligten bestens Bescheid darüber, welche Ansprüche wir an uns als Unternehmen haben. Gleichzeitig wussten sie, was sie von der Geschäftsleitung erwarten können. Grundsätzlich gilt: Erkennen die Angestellten eine klare Strategie und deren Mehrwert, setzen sie sich viel eher dafür ein.
Wie lautet denn Ihre Nachhaltigkeitsstrategie?
Nachhaltigkeit besteht für uns aus drei Aspekten. Erstens müssen wir ökonomisch nachhaltig sein – sind wir es nicht, fallen auch die anderen beiden Aspekte ins Wasser. Zweitens müssen wir sozial nachhaltig sein, und zwar gegenüber allen Mitarbeitenden als auch gegenüber der Gesamtgesellschaft. Für mich ist klar: Ich will ihnen zurückgeben, sei es in finanzieller Form oder anderweitig. Und der dritte Aspekt ist der ökologische. Wir als Unternehmen wollen aktiv zum Umweltschutz beitragen.
Reden wir zuerst über die soziale Nachhaltigkeit: Wie sieht diese bei Ihnen aus?
Anlässlich unseres 125-jährigen Jubiläums vor vier Jahren haben wir die Werner-Twerenbold-Stiftung ins Leben gerufen, zu Ehren meines verstorbenen Vaters, von dem ich das Unternehmen übernommen habe. Diese Stiftung unterstützt diverse soziale Projekte im In- und Ausland. In Ägypten etwa helfen wir blinden Frauen und Mädchen bei ihrer Ausbildung, sodass sie möglichst gut in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft eingegliedert werden. Was unsere Mitarbeitenden betrifft, so haben wir letztes Jahr eine detaillierte Mitarbeiterumfrage gemacht – wir wollten genau wissen, was sie bewegt. Als Resultat davon haben wir ein Paket mit mehreren Benefits geschnürt. Der grösste davon: Sechs bezahlte Ferienwochen. Zudem wollen wir unsere Angestellten stärker bei ihren Weiterbildungen unterstützen.
Und was tun Sie konkret für den Umweltschutz?
Wir besitzen eine Busflotte von über 70 Fahrzeugen, und deren Durchschnittsalter beträgt bloss drei Jahre. Das zeigt, dass wir konstant in die neuesten Generationen an Bussen investieren und ältere Modelle ausmustern. Das geschieht vor allem, wenn es neue Technologiesprünge gibt. Das lassen wir uns auch etwas kosten. Bei unseren Schiffen setzen wir auf die «Clean air technology». Dabei wird ein Grossteil der Abgas-Schadstoffe herausgefiltert, bevor er in die Umwelt gelangt. Das weltweit erste Passagierflussschiff mit dieser Technologie war eines von uns – noch bevor dies per Gesetz verlangt wurde. Für solche Investitionen nehme ich gerne viel Geld in die Hand. Für unsere Kunden heisst das wiederum: Sie bezahlen einen fixen Klimaschutzbeitrag. Dieser wird in den Preisen miteingerechnet.
Welche Nachhaltigkeitsprojekte stehen sonst noch an?
Wir wollen unsere bestehenden Infrastrukturen umweltfreundlicher gestalten – Stichwort Photovoltaik-Anlagen. Auf den Dächern unserer Hallen und Gebäude liegt diesbezüglich viel Potenzial. Das sind langfristige Investitionen über die nächsten fünf bis sechs Jahre. Ein weiteres Herzensprojekt von mir ist die «Twerenbold Academy»: In Kooperation mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) bilden wir unsere mittleren Kader in verschiedensten Führungsthemen aus und weiter. Das kommt letzten Endes nicht nur uns, sondern der gesamten Branche zugute – auch das ist nachhaltig. Die ersten Vorlesungen haben übrigens vor Kurzem stattgefunden. Was für eine Energie da geherrscht hat! Das hat mich sehr stolz gemacht.
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Karim Twerenbold trat im Jahr 2011 als Projektleiter in die Twerenbold Reisen Gruppe ein. Zwei Jahre später wurde er deren Geschäftsleiter und führt seitdem das Familienunternehmen in vierter Generation fort. Nach dem Tod seines Vaters Werner übernahm er 2016 zusätzlich dessen Mandat als VR-Präsident. Unter seiner Führung konnte die Gruppe im Jahr 2020 ihr 125-jähriges Bestehen feiern. Heute gehören der Twerenbold Reisen AG mehrere Tochterunternehmen. Zusammen organisieren sie weltweit Reisen per Bus, Schiff und Flugzeug für über 100'000 Gäste jährlich.