Baubranche kämpft mit Lieferengpässen

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Die Auftragslage ist in der Baubranche noch intakt. Pandemiebedingte Produktivitätseinbussen und die zunehmenden Lieferengpässe bremsen allerdings die Umsatzentwicklung. Müssen Unternehmen des Bausegments mit einem Einbruch rechnen?

 

Stabiles Bevölkerungswachstum

Die Bevölkerung der Schweiz zählte Ende 2020 über 8,6 Millionen. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Zahl der Menschen, die im Land leben, um 0,7 %. Fast alle Kantone verzeichnen ein Wachstum, wobei die grosse Mehrheit im Raum mit städtischem Charakter lebt. Allerdings hat sich das Wachstum im 10-Jahres-Vergleich abgeschwächt. Menschen, die sich neu hier niederlassen oder über die Kantonsgrenze ziehen, suchen Wohnraum. Kann die Bauwirtschaft nach wie vor profitieren?

 

Preisdruck wird stärker

Pascal A. Meyer, Vertriebsmanager Firmenkunden von Raiffeisen Schweiz, weiss, wie es um Unternehmen der Baubranche steht: «Viel gebaut wird weiterhin, der langanhaltende Bauboom hat nun allerdings seinen Peak hinter sich.» So liegen etwa die Baugesuche 2021 für neue Mietwohnungen über 50 % unter dem Rekordniveau von 2017. Der Markt reagiert damit auf das bestehende Überangebot, das sich in steigenden Leerständen und sinkenden Neumieten zeigt. Wenn Meyer auf die Baugesuche blickt – der Indikator für künftige Bautätigkeit – erkennt er eine Abschwächung im Bausegment. Die kommerziellen Märkte liefern dem Eigenheimsegment, dessen Zahl seit Jahren rückläufig ist, keine zusätzlichen Impulse. Die Kapazitäten der Branche sind aber noch auf das höhere Wachstumsniveau vergangener Jahre ausgelegt. Die Folge ist ein Druck auf die Margen.

 

Anzahl Mietwohnungen in Baugesuchen, indexiert, Vierquartalssummen, 1q07 = 100

Anzahl Mietwohnungen in Baugesuchen, indexiert, Vierquartalssummen, 1q07 = 100

 

Lieferengpässe für Baumaterial

2021 sind die Baustellen durch Lieferengpässe für Baumaterial stark herausgefordert. Die Pandemie löste einen weltweiten Ausnahmezustand aus. Ganze Sektoren wurden wegen der Pandemie auf unbestimmte Dauer stillgelegt. Nach dem Corona-bedingten Stillstand ist der grosse Aufholbedarf der weltweiten Bauwirtschaft stark spürbar. Grossmächten wie den USA und China gelingt es kaum, ihre Märkte mit einheimischen Baustoffen zu beliefern, und kaufen diese auf dem europäischen Markt ein. Dadurch ist die Nachfrage stark gestiegen und die Preise dementsprechend nach oben korrigiert worden. Zwischen Oktober 2020 und April 2021 verzeichneten die Baupreise den grössten Halbjahresanstieg seit 2008. So sind dem Bundesamt für Statistik zufolge zwischen Dezember 2020 und August 2021 die Materialpreise im Hochbau um 12 % gestiegen. Holz ist dabei um rund 6 % teurer im Einkauf geworden, während die Preise für Metallprodukte gar um fast 15 % gestiegen sind. Pascal A. Meyer ergänzt: «Aluminium und Stahl sind auf dem Weltmarkt aktuell über 50 % teurer als vor einem Jahr. Der Erdgaspreis liegt aktuell sogar beim Fünffachen des Vorjahrespreises.» Eine Umfrage unter 1000 europäischen Unternehmen zeigt, dass Industriebetriebe mittelfristig nicht mit einem Ende der Preisspirale rechnen. Bei nahezu allen Rohstoffgruppen gehen die Unternehmen von weiteren Preissteigerungen im zweistelligen Bereich aus.

 

Sanfter Abschwung erwartet

Müssen Unternehmen des Bausegments also mit einem Einbruch rechnen? Das sehen die Experten nicht voraus. «Unser Hauptszenario», so Meyer, «ist vielmehr ein sanfter Abschwung.» Stützend wirken sich die anhaltend tiefen Zinsen aus. Und die Tatsache, dass Investitionen in Immobilien – aufgrund mangelnder Anlagealternativen – nach wie vor ein attraktives Rendite-Risiko-Profil bieten.

 

Bauarbeiter auf Baustelle

Bauarbeiter auf Baustelle

 

Wie das Bundesamt für Statistik feststellt, ist das Bevölkerungswachstum auf die internationalen Migrationsströme und auf den Geburtenüberschuss zurückzuführen. Im Jahr 2020 standen den 163'200 Einwanderungen 109'400 Auswanderungen gegenüber. Den grössten Zuwachs durch die Binnenwanderung, also die Zuzüge aus anderen Kantonen, registrierten die Kantone Freiburg, Wallis und Aargau.

 

Aufs Land

2020 lebten 84.8 % der Bevölkerung in Städten und deren Agglomerationen. Die Hälfte dieser über acht Millionen Menschen wohnte in einer der sechs grössten Agglomerationen der Schweiz: Zürich, Genf, Basel, Lausanne und Luzern. Die Pandemie sorgt allerdings für eine spürbare Bewegung aus der Stadt: «Die Pandemie hat den Zuzug aufs Land verstärkt», fügt Pascal A. Meyer hinzu. «Neben den Auswirkungen von COVID-19 spielt dabei eine Rolle, dass auf dem Land im Preisvergleich mit der Stadt grössere Wohnflächen beansprucht werden können, was auch den Wunsch nach einem Homeoffice besser umsetzbar macht», so Meyer weiter.

 

Verdichtung hat Potential

Durch das Bevölkerungswachstum steigt das Potential für verdichtetes Bauen. Im schweizerischen Gebäudepark finden sich zahlreiche Gebäude älteren Datums. Kann das Baugewerbe die fehlenden Neubauprojekte allenfalls mit Aufträgen in der Verdichtung wettmachen? Tatsächlich sollten Ersatzneubauten, Aufstockungen und Sanierungen für eine Kompensation sorgen. Noch sind die Prozesse allerdings äusserst träge und regulatorische sowie rechtliche Hürden hoch.

 

 

5 Tipps für den Materialeinkauf im Ausland

Erfahren Sie mehr, welche Komponenten für einen erfolgreichen Materialeinkauf im Ausland zusammenhängen.

 

1. Überblick verschaffen

Als erstes sollten Sie sich Klarheit darüber verschaffen, wie gross das Volumen der relevanten Währungen im Jahresverlauf ist. Fallen signifikante Anteile der Ausgaben für Baumaterialien und Rohstoffe in Fremdwährungen an, empfiehlt es sich, eine Devisenstrategie zu erarbeiten. «Bereits ab einem Anteil von 20 Prozent kann sich dies lohnen», sagt Raiffeisen-Devisenexperte Rosario Loria. «Für importorientierte Zulieferer ist es auf jeden Fall empfehlenswert, das Devisen-Exposure und die damit verbundenen Risiken und Chancen gemeinsam mit Experten anzuschauen.»

 

2. Sorgfältig budgetieren und Sicherheitsmarge einbauen

Zum proaktiven Umgang mit Fremdwährungen gehört auch ein sorgfältiges Budget mit Plankursen für alle relevanten Währungen. Realistische Budgetkurse mit einem Sicherheitspolster bieten im Jahresverlauf Orientierung und erleichtern Entscheidungen – zum Beispiel über den Zeitpunkt für den Währungsumtausch. «Ein Referenzsatz kann viel Ungewissheit nehmen. Zudem federt eine Sicherheitsmarge Währungsrisiken ab», betont Rosario Loria.

 

3. Liquidität in den relevanten Währungen sicherstellen

Für viele Zulieferer der Baubranche bedeutet Devisenmanagement eine Gratwanderung zwischen Liquiditätssicherung und dem optimalen Wechselkurs. Werden zum Beispiel als Folge der Preissteigerungen wider Erwarten mehr Euro für den Einkauf von Baumaterial benötigt, müssen unter Umständen Schweizer Franken gewechselt werden, obwohl der Zeitpunkt ungünstig ist. «Eine vorausschauende Liquiditätsplanung inklusive Sicherheitspolster in allen relevanten Währungen ist zentral, um Kursschwankungen optimal auszunutzen», bemerkt Rosario Loria. Dabei gilt es vor allem auch die saisonalen Schwankungen in der Baubranche zu berücksichtigen.

 

4. Materialkosten, wenn möglich separat offerieren

Die Materialpreise werden in der Baubranche in der Regel zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung fixiert. Der Einkauf erfolgt jedoch erst, wenn die Objektplanung vollständig abgeschlossen ist – oft erst rund ein Jahr nach Vertragsabschluss. In dieser Zeit können sich nicht nur die Preise stark verändern, sondern auch die Währungskurse. Wenn immer möglich, sollten Materialkosten deshalb in der Offerte separat behandelt und an Indizes gebunden werden, wie dies bei Projekten der öffentlichen Hand gängig ist. So können Preissteigerungen weiterverrechnet und damit die eigene Marge geschont werden. Besteht ein hohes Währungsrisiko, empfiehlt sich zudem eine Kursabsicherung durch Deviseninstrumente.

 

5. Passende Instrumente nutzen

Grundvoraussetzung für den optimalen Umgang mit Devisen ist ein Fremdwährungskonto, über das sämtliche Transaktionen in der entsprechenden Währung laufen. Damit lässt sich der Zeitpunkt des Währungsumtauschs selbstbestimmt festlegen und der Wechselkurs so fixieren. Somit gibt es keine unliebsamen Überraschungen durch unerwartete Wechselkursschwankungen. Darüber hinaus stehen für grössere Auslandgeschäfte mit fünf- oder sechsstellige Summen Kursabsicherungsinstrumente wie Termingeschäfte oder Swaps zur Verfügung.